Womöglich aufgrund der Ausgangssperre lassen sich Wildgänse und Möwen am Schlossplatz und im Schlossgarten nieder und genießen die Abwesenheit von Menschen. Das führt zwar auch zu Vogelkot – die Parkpflege greift aber nicht ein.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Wenn der Mensch verschwindet, erobert die Natur ihren Lebensraum zurück, heißt es. Auch in Stuttgart verschwinden Menschen – seltener ganz, aber seit der aufgrund des Coronavirus geltenden Ausgangssperre ab 20 Uhr zumindest aus den Parkflächen der Stadt, Hundehalter und wenige andere ausgenommen. Auf dem Schlossplatz und am Eckensee ist seitdem zu beobachten, dass sich dort wieder mehr Wildvögel niederlassen. Während Möwen den Eckensee für sich entdeckt haben, fühlen sich Gänse offenbar am Schlossplatz heimisch.

 

Diese Beobachtungen decken sich auch mit einer Theorie der Wilhelma, die in Stuttgart für die Parkpflege der Liegenschaften des Landes und damit auch für Schlossplatz und Schlossgarten zuständig ist. „Wir gehen davon auf, dass sich die Gänse weiter vorwagen, weil es auf dem Schlossplatz ruhiger zugeht, um sich von den Rasenflächen Gras zu zupfen“, sagt Harald Knitter, Pressesprecher der Wilhelma. Das tun sie in großen Scharen. Und das führt zu viel Gänsekot.

Manche Spaziergänger berichten, dass sich das Überqueren des Schlossplatzes ein wenig wie ein Spießrutenlauf gestaltet. Ganz so dramatisch sehen es die Parkpfleger nicht. „Wir stellen zumindest keinen erheblich höheren Verschmutzungsgrad fest“, sagt Knitter – trotzdem habe man die Entwicklung am Schlossplatz genauer ins Auge gefasst.

Möwen bei Verschmutzungen unverdächtig

Momentan komme der Winterdienst dem Schmutz auf den asphaltierten Flächen gut bei, auch wenn die Möglichkeiten zur Reinigung mit Hilfe von Flüssigkeiten aufgrund der frostigen Temperaturen und Blitzeisgefahr etwas eingeschränkt seien. „Stellen, wo sich sogenannte wassergebundene Wegedecken befinden, können wir maschinell nicht reinigen, weil Walzbürsten dort die Oberflächen beschädigen könnten“, sagt Knitter.

Dabei hält er den Eingriff des Menschen gar nicht für unbedingt nötig, um den Platz sauber zu halten: „Die Witterung hilft uns am meisten.“ Durch den Tau verflüchtigten sich die Hinterlassenschaften, „das kann man der Natur überlassen.“ Dass die Urheberschaft der Verschmutzungen den Gänsen zuzuschreiben ist, ist für die Parkpfleger der Wilhelma eindeutig. „Von der Konsistenz und Menge her kommen die Möwen nicht infrage“, sagt Harald Knitter.

Gänse unterliegen Jagdrecht in Baden-Württemberg

Die Möwen am Eckensee scheinen dagegen niemandem unangenehm aufzufallen, im Gegenteil: In dem sozialen Netzwerk Twitter präsentieren Nutzer stolz ihre Schnappschüsse. Eine Nutzerin kommentiert ihr Foto, das den schneebedeckten Opernvorplatz zeigt, so: „Möwen am Eckensee in Stuttgart? Aber warum auch nicht, ist schön hier.“

Wie viele Wasservögel in den Stuttgarter Parks beheimatet sind, dazu gibt es bei der Stadt keine Erhebungen. Im Wildtierbericht des Staatsministeriums sind Zahlen der Ornithologischen Gesellschaft Baden-Württemberg (OGBW) aufgeführt, die die Verteilung der Vogelbestände im Land darstellen. Demnach halten sich unter ein Prozent aller wilden Wasservögel in Baden-Württemberg in Stuttgart auf, der Großteil findet sich im Bodenseebereich.

Als vor Corona und Ausgangsbeschränkungen noch mehr Menschen in den Stuttgarter Parkanlagen weilten, kam es hier dennoch immer wieder zu Konflikten mit den Tieren. Nilgänse und andere Wildgänse gerieten immer wieder mit Freibadbesuchern in Konflikt, da die Vögel von den frisch gemähten Liegeflächen angezogen wurden. Sollten die menschenleeren Parks in Stuttgart zu einer unkontrollierten Ausbreitung der aus Afrika stammenden Nilgänse führen, gäbe es theoretisch übrigens noch eine letzte Möglichkeit: Die Tiere unterliegen dem baden-württembergischen Jagdrecht.