Steigende Verschuldung in Nürtingen: Die Mehrheit des Gremiums befürchtet, ohne externe Experten den Konsolidierungskurs zu verfehlen.

Nürtingen - Ein gemeinsamer Antrag? Im Notfall in Nürtingen (Kreis Esslingen) offenbar schon: die Christdemokraten, die Freien Wähler, die Jungen Bürger und die FDP haben sich zusammengetan, um eine kleine Revolution in Gang zu setzen. Sie wollen das Königsrecht eines jeden Gemeinderats abgeben: die Planung des Haushalts - an eine externe Firma. Einen entsprechenden Antrag haben sie im Vorfeld der Etatberatungen beschlossen.

 

"Das Ziel ist die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur Reduzierung der Leistungen und eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit auf der Ausgabenseite, die Anpassung von Gebühren und Beiträgen, als auch die Erschließung weiterer Einnahmequellen", sagte Thaddäus Kunzmann, der CDU-Fraktionschef am Donnerstagabend. Externe Experten sollen der Stadt helfen, in Ordnung zu bringen, was Rathaus und Gemeinderat nach Ansicht der vier Fraktionen nicht aus eigener Kraft schaffen: die Finanzen.

Schließlich rechnet Nürtingen mit 24 Millionen Euro Schulden bis zum Jahresende und 2015 sogar mit einem Schuldenberg von 48 Millionen Euro. "Aus der Vergangenheit wissen wir, dass uns als Gremium die Kraft fehlt, die notwendigen schmerzhaften Einschnitte zu beschließen", sagt dazu Kunzmann. Die Vorschläge der Berater sollen in den Etatberatungen für 2013 als Grundlage dienen, für dieses Jahr ist es zu spät.

Ein Blick von außen

Den gesamten Prozess, für den laut dem Antrag heuer 250.000 Euro in den Etat eingestellt werden sollen, würde eine Arbeitsgruppe aus Stadträten und Rathausmitarbeitern begleiten. Über die Vorschläge der Experten müsste letztlich dennoch der Gemeinderat entscheiden. Oberbürgermeister Otmar Heirich teilt nicht die Skepsis, die sich für die Fraktionen aus den aktuellen Etatdebatten ergeben hat. Der Haushaltsentwurf bilde eine "gute Basis" für das Jahr 2012, sagt Heirich.

Die Beauftragung einer Beratungsfirma wolle er auch gar nicht als Affront verstanden wissen, sagt Kunzmann: "Auch wenn wir zu diesem Haushaltsplan, insbesondere zum Finanzplan, sehr kritisch stehen, bedeutet dies kein Misstrauen der Verwaltung gegenüber." Dass sich Kommunen Rat von außen holen, kommt nach Einschätzung des baden-württembergischen Städtetags gar nicht so selten vor. "Es kann durchaus hilfreich sein, die Dinge mit einem Blick von außen zu betrachten", sagt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Stefanie Hinz auf Anfrage.

Zumindest die anderen beiden Fraktionen, Nürtinger Liste/Grüne und SPD, empfinden den Schulterschluss der Konkurrenten nicht als vertrauensbildende Maßnahme. "Ein solches Vorgehen dient nicht dazu, eine Spaltung des Gemeinderats zu vermeiden. Es wäre politisch anständig gewesen, auch die anderen zu den Gesprächen einzuladen", sagt der SPD-Fraktionschef Hans-Wolfgang Wetzel, "Wir fühlen uns ausgegrenzt", der Grünen-Chef Dieter Braunmüller.

Der Haushalt soll durchforstet werden

Dabei widerspricht niemand im Gemeinderat Heirich, wenn er die steigende Verschuldung als "nicht vertretbar" bezeichnet. "Es müssen der gesamte Haushalt durchforstet, Ursachenforschung betrieben und neue Strukturen zur Diskussion gestellt werden", fordert der Grüne Braunmüller. "Wir beantragen eine Haushaltsklausursitzung mit dem Ziel, eine langfristigen Haushaltskonsolidierung und eine Reduzierung der Schulden zu erreichen."

Unterschiedliche Vorstellungen gibt es darüber, wie mehr Geld in die Kasse kommen soll. Neue Firmen bringen Arbeitsplätze und mehr Steuereinnahmen: Das ist die Gleichung von CDU und Freien Wählern, die ihre Hoffnungen auf die Entwicklung des Großen Forsts zu einem Gewerbegebiet setzen. Die Grünen hingegen wollen die Fläche für die Landwirtschaft erhalten.

Die Beauftragung eines Beratungsunternehmens ist nicht der einzige gemeinsame Antrag der vier Fraktionen, die es nahezu auf eine Zweidrittelmehrheit bringen. Sie fordern auch ein Sondersanierungsprogramm für marode Gebäude und Straßen. Die Gebäudewirtschaft Nürtingen soll im Haushalt mit zusätzlich 300.000 Euro ausgestattet werden, 200.000 Euro mehr als geplant sollen in den Tiefbau fließen. Dafür will man unter anderem beim Personal und den Verwaltungs- und Betriebsausgaben des Rathauses streichen.