Seit Jahren gehen die Zahlungen der Versicherer für Naturkatastrophen weltweit zurück. 2016 könnte jedoch sich dies jedoch ändern. Diskutiert wird auch über Wege, die fianziellen Risiken zu verteilen.

Stuttgart - Der Chef der Geo-Risikoforschung beim Münchner Versicherungsriesen Munich Re bleibt unbeeindruckt. Auch das vierte Jahr hintereinander, in dem die Versicherer bei Naturkatastrophen vergleichsweise glimpflich davongekommen sind, kann Peter Höppe nicht beruhigen. Die schlimmsten Auswirkungen hatte im vergangenen Jahr das Beben in Nepal mit Schäden von 4,8 Milliarden Dollar. Insgesamt wurden 2015 durch Erdbeben und Extremwetter Werte im Umfang von 90 Milliarden Dollar vernichtet, wovon rund 27 Milliarden Dollar versichert waren. Das ist noch einmal deutlich weniger als die 110 Milliarden Dollar Gesamtschäden sowie 31 Milliarden Dollar versicherter Schäden 2014 und rund zwei Drittel des Durchschnitts der vergangenen drei Jahrzehnte. „Das ist kein Signal der Entwarnung“, bedauert Höppe mit Blick auf den Klimawandel.

 

Zum einen sei 2015 viel Glück mit im vernichtenden Spiel der Naturgewalten gewesen, weil tropische Wirbelstürme oft nur in dünn besiedelten Gebieten an Land gegangen sind. Zudem stand das Jahr unter dem Einfluss eines natürlichen Klimaphänomens namens El Niño. Das bewirkt unter anderem, dass die Hurrikan-Aktivität im Nordatlantik gedämpft wird, und diese war in der Vergangenheit für die größten Schäden durch Naturkatastrophen verantwortlich. 2016 endet die El Niño-Phase aber, sagen Klimaforscher, und dann wird es unter anderem im Nordatlantik mit neuen Wirbelstürmen wieder ungemütlich.

Katastrophen treffen oft die Ärmsten der Armen

Die Betroffenheit der Assekuranz bei Naturkatastrophen ist aber nur eine Seite der Medaille. Denn Hitzewellen und Dürren treffen oft kaum versicherte Teile der Welt, betont die Hilfsorganisation Oxfam. Weit über zehn Millionen Menschen könnten 2016 wegen extremer Wetterlagen Seuchen, Hunger und Wasserknappheit ausgesetzt sein, schätzt Oxfam. Erkennbar betroffen von Dürre und Ernteausfällen seien vor allem Äthiopien, Haiti und Papua Neuguinea, warnt die Oxfam-Leiterin für humanitäre Hilfe, Jane Cocking. Im südlichen Afrika werde die Wasserknappheit im Februar einen ersten Höhepunkt erreichen. Nach Dürren und anschließenden Überflutungen drohe in Mittelamerika schon im Januar eine Verschlechterung der Lage. Das treffe auf ein wegen zahlreichen Konflikten und weltweit 60 Millionen Kriegsflüchtlingen ohnehin angespanntes System humanitärer Hilfe. Die Naturkatastrophenbilanz der Munich Re ergänzt das Bild.

Schäden im Umfang von zwölf Milliarden Dollar haben Dürren und Hitzewellen 2015 demnach vor allem in Afrika, Südostasien sowie Lateinamerika hinterlassen. Versichert seien davon aber nur 880 Millionen Dollar gewesen. Solche Versicherungslücken will die Assekuranz mit finanzieller Unterstützung westlicher Geberländer nun nach und nach verkleinern.

Diskussion über Versicherungen gegen Erntegefahren

Mittel zum Zweck sind sogenannte Risikopools, die länderübergreifend Policen gegen Wetterkatastrophen, aber auch Erdbeben oder Tsunamis bieten. Solche Pools bestehen für die Karibik, Teile Afrikas und pazifische Inselstaaten. Neue Hilfsgelder, die vor Kurzem beim Pariser Klimagipfel zugesagt worden sind, sollen dazu beitraggen, dass künftig weltweit 400 Millionen Menschen, vor allem auch Bauern, gegen Naturgefahren versichert sein werden. Unterversicherung gegen Naturgefahren ist aber auch in unseren Breitengraden ein Thema. Es gibt bislang weder in Deutschland noch europaweit eine Ernteausfall-Versicherung, wie sie US-Landwirte genießen, betont der Risikoforscher Höppe.

Die staatlich subventionierte Versicherungspolice garantiere ihnen auch bei Dürre oder Überschwemmungen 80 Prozent der Einnahmen eines durchschnittlichen Erntejahrs. „Auf deutscher und EU-Ebene laufen aber nun Diskussionen zu einer Mehrgefahrenpolice gegen Ernteausfälle“, sagt Höppe. Er hofft, dass sie nächstes Jahr auf den Weg gebracht wird, weil Dürrephasen wegen des Klimawandels immer häufiger würden. Aber auch Normalverbraucher seien hierzulande bei der Versicherung von Wohngebäuden gegen Überschwemmungen säumig. Die Versicherungsdichte habe sich zwar erhöht, liege aber immer noch bei nur einem Drittel. In Großbritannien seien es im Vergleich dazu drei Viertel. Wie wichtig solche Policen sind, zeigen derzeit die Überschwemmungen im Norden Englands. Die Munich Re schätzt die Gesamtschäden aus den beiden dortigen Überflutungswellen im Dezember auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.