In vielen Regionen der Welt hat die Häufigkeit und Intensität von Stürmen und Unwettern in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen – mutmaßlich wegen des Klimawandels. 2020 lag im negativen Trend.

München - Gnädig ist die Natur nicht gewesen. „2020 war kein Rekordjahr“, sagt Ernst Rauch. Dennoch habe die Natur voriges Jahr in Form von Erdbeben, Dürren und Stürmen aber weltweit Werte im Umfang von 171 Milliarden Euro vernichtet, fast die Hälfte davon in den USA, bilanziert der Chefklimatologe der Munich Re. Das war mehr als die 135 Milliarden Euro volkswirtschaftlicher Schäden 2019. Es lag auch über dem Schnitt der jüngsten Dekade von 150 Milliarden Euro.

 

Versichert waren 2020 im weltweiten Maßstab nur 40 Prozent aller Schäden. Dennoch: Es hätte zudem schlimmer kommen können. Mit 30 großen Stürmen im Nordatlantik brachte die dortige Hurrikansaison zwar einen Höchstwert. Es standen nur zufällig keine größeren Werte im Weg der Naturgewalten.

Global dürfte 2020 gar das wärmste Jahr gewesen sein

Wetterextreme passen zu den Folgen eines jahrzehntelangen Erwärmungstrends von Atmosphäre und Ozeanen, stellt Rauch mit Blick auf Dürren oder Waldbrände und Wirbelstürme klar. „Bei all diesen Gefahren wird langfristig der Klimawandel eine zunehmende Rolle spielen“, unterstreicht Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek. Deshalb war 2020 nicht von ungefähr in Deutschland das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Global dürfte es gar das wärmste gewesen sein.

Das birgt anhaltendes Schadenspotenzial. Umso bedenklicher ist, dass in Europa 2020 nicht einmal ein Drittel der knapp elf Milliarden Euro teueren Schäden durch Naturkatastrophen versichert waren. Während bei Sturm noch hohe Versicherungsdichte bestehe, sei das vor allem beim Risiko Sturzflut anders, warnt nicht nur Rauch. „Bei Starkregen und Überschwemmungen sind wir am meisten verwundbar“, sagt er zu den in unseren Breitengraden dominierenden Gefahren.

Glimpflichen Schadensverlauf

Dennoch sind in Deutschland nicht einmal die Hälfte aller Hausbesitzer gegen Starkregen und Hochwasser versichert, weiß der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei sind regionale Unterschiede enorm. Halten in Bremen oder Niedersachsen maximal ein Viertel aller Hausbesitzer eine solche Police, sind es in Baden-Württemberg gut 90 Prozent. Letzteres ist historisch bedingt, weil im Südwesten eine Wohngebäudepolice gegen Naturgefahren bis 1993 Pflicht war. Heute fordern viele Experten wegen der Folgen des Klimawandels eine solche Pflichtversicherung bundesweit. Vom glimpflichen Schadensverlauf 2020 solle man sich nicht täuschen lassen, findet GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „2020 war ein unterdurchschnittliches Schadenjahr, vor allem auch weil schwere Hagelereignisse ausgeblieben sind“, erklärt er für Deutschland. 2,5 Milliarden Euro musste die Branche hierzulande diesmal an Kunden wegen Elementarschäden auszahlen. Das liegt unter dem langjährigen Schnitt von 3,7 Milliarden Euro. Dennoch hat es Wintersturm Sabine 2020 mit versicherten Schäden von 675 Millionen Euro auf Rang sechs der kostspieligsten Naturkatastrophen aller Zeiten geschafft. Profitieren könne Deutschland dagegen zunehmend von verbessertem Hochwasserschutz, betont Rauch.

Steigendes Risiko von Sturzfluten

Sich gezielt gegen Naturgewalten zu versichern ist in Deutschland nicht einfach. Nur für das Risiko von Überschwemmungen in Flussnähe gibt es adressgenaue Risikokarten. Für das steigende Risiko von Sturzfluten, die flächendeckend auch abseits von Flüssen auftreten können, seien solche Karten erst in Arbeit und auch für Sturm sowie Erdbeben würden sie fehlen, bemängelt der GDV. Er fordert Abhilfe vom Bund.

„Wir setzen uns nachdrücklich für ein bundesweites Naturgefahrenportal ein“, erklärt Asmussen. Das soll alle Naturgefahrenarten umfassen, fordert er. Auf der politischen Tagesordnung stehe das aber derzeit nicht. Rauch zeigt sich indes zuversichtlich, dass die Corona-Pandemie mittelfristig auch etwas Gutes habe. „Sie verdeutlicht die Gefahr systemischer Risiken“, sagt er. In Politik und Wirtschaft wachse deshalb nun das Bewusstsein dafür. Das macht Rauch optimistisch, dass der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen verstärkt in den Fokus rückt, sobald die Corona-Krise überstanden ist.