Die Website Gonetto eröffnet Verbrauchern die Möglichkeit, bei Versicherungen zu sparen – ohne Anbieterwechsel. Doch das Geschäftsmodell missfällt der Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Der schwäbische Gründer sieht die Existenz seines Start-ups gefährdet.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Statistisch gesehen zahlt jeder Deutsche rund 2400 Euro an Versicherungsbeiträgen – pro Jahr. Ein erklecklicher Anteil davon entfällt auf Provisionen. Sie fließen nicht nur bei Abschluss der Versicherung als Belohnung für den Vermittler, sondern auch für die laufende Betreuung der Verträge. Den meisten Kunden ist das gar nicht bewusst, weil diese sogenannten Bestandsprovisionen einfach von ihren regelmäßigen Beiträgen abgezweigt werden. Auch dann, wenn der Versicherte über Jahre keinerlei Beratung in Anspruch nimmt.

 

„Da macht es keinen Sinn, jährlich dafür zu zahlen“, findet Dieter Lendle. Vor rund einem Jahr rief der frühere Vorstand der Euwax AG, die zur Börse Stuttgart gehört, deshalb die Online-Plattform Gonetto ins Leben. Wenn Versicherte ihre bestehenden Verträge an das Start-up übertragen, zahlt ihnen das Unternehmen die Bestandsprovisionen aus – gegen eine Jahresgebühr von zwölf Euro pro Vertrag. „Bei Sachversicherungen machen die Provisionen oft 20 bis 25 Prozent der Beiträge aus. Eine Wohngebäudeversicherung kostet im Jahr oft 500 Euro, da ist die Ersparnis groß“, rechnet Lendle vor. Wer nach einigen Jahren doch Beratungsbedarf habe, könne einmalig einen Honorarberater bezahlen – oder Gonetto kündigen und sich einen traditionellen Makler suchen.

Nach Bafin-Schreiben springen die Versicherungspartner ab

2900 Verträge wurden im ersten Jahr an Gonetto übertragen. 30 000 bis 50 000 bräuchte das Start-up nach eigenen Berechnungen, damit sich das Geschäftsmodell trägt. Doch nun stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) dessen Rechtmäßigkeit infrage: Anfang August warnte die Aufsichtsbehörde Versicherungsunternehmen schriftlich vor einer Kooperation mit dem Online-Makler. Wer mit Gonetto zusammenarbeite, müsse mit einer „Untersagungsanordnung“ rechnen. „Seither flattern uns jeden Tag zwei bis drei Kündigungen von Versicherungsgesellschaften ins Haus“, klagt Lendle.

Die Bafin sieht in der Rückzahlung der Bestandsprovisionen an die Versicherungskunden einen Verstoß gegen das sogenannte Provisionsabgabeverbot. Provisionen für Versicherungsvermittler dürfen nur in Ausnahmefällen an die Kunden weitergegeben werden. „Die Beratung und die Entscheidungsfindung des Kunden dürfen nicht durch die Frage, ob und wie viel Provision der Vermittler im Falle eines Abschlusses an den Kunden weitergibt, bestimmt werden“, argumentiert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Umstrittene Gesetzesklausel

Vor einem Jahr wurde das Provisionsabgabeverbot allerdings gelockert. Paragraf 48b des Versicherungsaufsichtsgesetzes gestattet das Abtreten von Provisionen an Kunden, wenn dies „zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags“ führt. Auf diese Klausel stützt sich Gonetto. Schließlich erstattet das Start-up seinen Kunden mit den Bestandsprovisionen einen Teil der regelmäßigen Versicherungsbeiträge.

Die Bafin dagegen legt den Paragrafen so aus, dass die Beitragsminderung im Versicherungsvertrag festgeschrieben werden müsse, um Verlässlichkeit für die Kunden zu garantieren. Anders sieht das die IHK Wiesbaden, die Gonetto die Geschäftserlaubnis als Versicherungsmakler erteilt hat: Nach ihrer Auffassung genügt eine vertragliche Vereinbarung zwischen Gonetto und den Versicherungskunden über die regelmäßige und dauerhafte Weitergabe der Provision.

Unter Verbraucherschützern gehen die Meinungen zum Provisionsabgabeverbot auseinander. Der Bund der Versicherten (BdV) hält es für einen sinnvollen Schutz vor Lockangeboten: „Wir sehen die Gefahr, dass durch die Durchleitung von Provisionen Verträge abgeschlossen werden, die man nicht braucht.“ Diese Bedenken bezögen sich auch auf Bestandsprovisionen, weil das Versprechen einer dauerhaften Beitragsminderung als Lockmittel eingesetzt werden könne. Richtig sei eine Erstattung der Provisionen nur, wenn ein Vertrag durch einen Honorarberater abgeschlossen werde, meint BDV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Das Gesetz sieht für diesen Fall vor, dass die Versicherung die Provision zu 80 Prozent dem Kunden gutschreibt und sie mit den in den ersten fünf Jahren fälligen Beiträgen verrechnet.

Gonetto strebt rechtliche Klärung an

Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gibt indes zu bedenken, dass diese Regelung nur für Versicherungsberater gilt. Für die Erlangung dieses Titels gelten strengere Voraussetzungen als für Versicherungsvertreter, -vermittler oder -makler. Im bundesweiten Register des Deutschen Industrie- und Handelskammertags finden sich deshalb nur 340 Versicherungsberater. „Wir fänden es gut, wenn der Markt geöffnet würde für mehr Angebote, wo über Provisionen verhandelt werden und damit auf Honorarbasis beraten werden kann“, sagt Mohn.

Gonetto setzt auf eine rechtliche Klärung und hat beim Verwaltungsgericht Frankfurt beantragt, dass die Bafin ihre Drohung gegenüber den Versicherungsgesellschaften zurücknehmen soll. Doch obwohl es sich um einen Eilantrag handelt, könnten bis zur Entscheidung nach Auskunft des Gerichts zwei Monate vergehen. Für Lendle und seine sieben Mitarbeiter ist das eine lange Durststrecke: „Jetzt ist Überlebenskampf angesagt“, sagt der 55-Jährige.