Nur 78,5 Prozent der ICE-, IC- und EC-Züge waren mit weniger als sechs Minuten Verspätung unterwegs. Die Bahn muss deshalb immer mehr Kunden Entschädigungen zahlen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn hat auch 2017 ihre Pünktlichkeitsziele verfehlt. Nur 78,5 Prozent der ICE-, IC- und EC-Züge waren mit weniger als sechs Minuten Verspätung unterwegs. Der Fernverkehr war damit noch unpünktlicher als 2016 und blieb deutlich unter der Zielmarke von 81 Prozent. Eine DB-Sprecherin bestätigte auf Anfrage einen dpa-Bericht, der sich auf interne Papiere beruft. DB-Chef Richard Lutz hatte bereits vor einigen Wochen eingeräumt, dass man das Versprechen an die Kunden nicht einlösen könne. Wie ein Blick auf die Statistik im Internet zeigt, wo der Konzern die monatlichen Werte regelmäßig veröffentlicht, nahmen bereits seit Mai die Verspätungen massiv zu. Im Oktober und November erreichte nicht einmal mehr jeder vierte Fernzug sein Ziel halbwegs nach Fahrplan.

 

In die DB-Statistik gehen nur Verspätungen ab sechs Minuten ein. In anderen Ländern werden strengere Maßstäbe angelegt. Dort ist der Zugverkehr teils deutlich pünktlicher. Die Werte sind aber nicht direkt vergleichbar, weil zum Beispiel in Frankreich oder Japan Hochgeschwindigkeitszüge auf eigenen Trassen fahren. In Deutschland dagegen gibt es zumeist Mischverkehr von Fern-, Regional- und Güterzügen, was das Risiko von Verspätungen massiv erhöht.

Baustellen und bringen den Fahrplan durcheinander

Grund für die schlechte Bilanz sind zum einen die vielen Baustellen im Netz. Bis 2019 wird für rund 28 Milliarden Euro die Infrastruktur modernisiert, was bundesweit bis zu 850 Baustellen gleichzeitig zur Folge hat. Hinzu kommen das hausgemachte Debakel mit der wochenlangen kompletten Streckensperrung im Rheintal bei Rastatt sowie Wettereinflüsse. Das Fahrgastrechte-Zentrum der DB wird seit Monaten mit Anträgen von Kunden auf Entschädigung förmlich überflutet.

Schon im Herbst räumte der Konzern auf Nachfrage ein, die Zahl der Beschwerden sei „in den letzten Monaten stark angestiegen“. Bis Ende August wurden demnach bereits rund 860 000 Anträge bearbeitet. Der Konzern setzte zusätzliche Mitarbeiter ein. Die gesetzlich vorgeschriebene Frist von einem Kalendermonat werde „bei der weit überwiegenden Mehrheit aller Fälle eingehalten“, hieß es damals.

2016 hatte der Konzern rund 1,3 Millionen Entschädigungsanträge wegen Verspätungen bearbeitet, ein Jahr zuvor waren es sogar 1,7 Millionen. Angaben zur konkreten Höhe der Entschädigungen will die DB nicht machen. Es geht aber um sehr hohe Summen. Das ergibt sich unter anderem aus Zahlen der Bundesnetzagentur, die auch für den Bahnverkehr zuständig ist.

Hohe Strafzahlungen wegen Verspätungen im Regionalverkehr

Demnach mussten alle Bahnunternehmen allein im Jahr 2016 knapp 25 Millionen Euro an die Fahrgäste zurückzahlen, zumeist wegen Verspätungen und Zugausfällen. Ein großer Teil dieser Summe dürfte auf den Marktführer DB entfallen, der im Fernverkehr fast ohne Konkurrenz ist und auch im Regionalverkehr bis 50 km noch immer mit Abstand größter Anbieter ist.

Noch viel höher schlagen die Strafzahlungen an die Aufgabenträger zu Buche. Das sind Länder und Kommunen sowie deren Zweckverbände, die den Regionalverkehr bestellen und mit Bundesmitteln finanzieren. In den Verkehrsverträgen werden den Bahnunternehmen meist strenge Qualitätsziele vorgeschrieben. Wenn diese verfehlt werden, müssen Pönalen gezahlt werden.