Mit einem Freispruch ist der Prozess gegen den SÖS-Stadtrat Gangolf Stocker zu Ende gegangen. Das Landgericht Stuttgart hält die Verstöße gegen das Versammlungsgesetz für nicht strafbar.

Stuttgart - Mit einem Freispruch ist am Freitag am Landgericht der Prozess gegen den SÖS-Stadtrat Gangolf Stocker zu Ende gegangen. Dieser musste sich als Versammlungsleiter zahlreicher Kundgebungen gegen Stuttgart 21 wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz verantworten. Nachdem das Stuttgarter Amtsgericht Stocker im Juli zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 5400 Euro verurteilt hatte, war dieser in die Berufung gegangen – mit Erfolg.

 

Dennoch ist ein Ende der juristischen Auseinandersetzung nicht abzusehen. Die Staatsanwaltschaft behält sich nach dem jüngsten Urteil vor, gegen den Freispruch in die Revision zu gehen, so der Vertreter der Anklagebehörde nach der Entscheidung durch die 31. Kleine Strafkammer. Dann müsste das Oberlandesgericht klären, ob die vom Landgericht vertreten Rechtsauffassung Bestand hat.

Gefahren bei S-21-Kundgebungen eher abstrakt

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die von der Stadt in den Verfügungen zur Genehmigung von Kundgebungen gemachten Auflagen für die Demonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht „strafbewehrt“ gewesen sind. Zwar habe Gangolf Stocker – wie er bei der Befragung auch zugegeben hat – insbesondere bei den Großkundgebungen nicht die geforderte Anzahl von Ordnungskräften gestellt, das stelle aber keinen Straftatbestand dar. Dies, „da beim Erlass der Verfügung nicht unmittelbar eine Gefahrenlage abzusehen war“, wie die Richterin betonte. Nur in einem solchen Fall, und auch dann nur, wenn die möglichen Gefahren explizit in den Verfügungen genannt sind, hätte Stockers Verhalten einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dargestellt.

„Die Versammlungsfreiheit in unserem Land ist ein hohes Gut“, so die Richterin, die darauf verwies, dass die Gefahren bei den Kundgebungen gegen S 21 eher abstrakt gewesen seien „so wie wir diese immer bei Massendemonstrationen haben“. Würden Verstöße, wie die einer Unterschreitung der Ordnerzahlen oder das Abspielen von Musik trotz einer vorher gemachten Auflage, bestraft werden, „dann könnten Großdemonstrationen kaum mehr von einer Person geleitet werden – das würde fast einem Verbot gleich kommen“, so die Richterin.

Staatsanwaltschaft will vermutlich Revision

Sie folgte damit der Argumentation des Stocker-Verteidigers. Dieser vertrat die Überzeugung, dass eine Anklageerhebung „gar nicht hätte stattfinden dürfen“. Die von der Stadt für die Genehmigung der Kundgebung gemachten Auflagen kämen juristisch gesehen eher einer Bitte gleich, als einer verbindlichen Verpflichtung.

Die Staatsanwaltschaft sieht dies völlig anders und forderte eine höhere Strafe als die vom Amtsgericht im Juli verhängte. Dies aber ohne Erfolg. Nun will sie vermutlich im Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht klären lassen „ob unsere Rechtsauffassung weiterhin Bestand haben kann oder geändert werden muss“.