Im Prozess um versuchten Mord auf einer Baustelle in Ludwigsburg versucht ein Anwalt, die Glaubwürdigkeit des Opfers in Zweifel zu ziehen.

Am vierten Tag im Prozess um versuchten Mord zwischen zwei Leiharbeitern auf einer Baustelle in Ludwigsburg ist es zu lauten Wortgefechten zwischen den Prozessbeteiligten gekommen. Verteidiger Marc Jüdt versuchte in einer längeren Befragung, die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen der Anklage in Zweifel zu ziehen und handelte sich wiederholt Widersprüche des Vorsitzenden Richters Norbert Winkelmann und von Nebenklagevertreterin Peggy Eisele ein.

 

Wie lief Tat ab aus Sicht der Anklage?

Rechtsanwalt Jüdt hob hervor, dass der 52-jährige Kollege des Angeklagten nach seiner Verletzung gegen den Rat der Ärzte das Krankenhaus vorzeitig verlassen und sich gegen eine adäquate Wundversorgung ausgesprochen habe. „Ich habe seit meiner Kindheit panische Angst vor Krankenhäusern“, erklärte der 52-Jährige. Zudem führte der Verteidiger mehrere Passagen aus früheren Urteilen gegen den 52-Jährigen auf, in denen dieser wegen des Einsatzes eines Messers verurteilt worden war. Der 52-Jährige hatte zuvor erklärt, dass er normalerweise kein Messer in der Freizeit mit sich führe.

In diesem seit Ende Mai laufenden Prozess hat die Staatsanwaltschaft einen 42-Jährigen wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Nach ihren Ermittlungen hat sich der 42-Jährige am 6. Dezember vergangenen Jahres auf einer Baustelle in der Wernerstraße in Ludwigsburg nach einem vorangegangenen Streit seinem Kontrahenten von hinten mit einem rund 50 Zentimeter langen Metallspieß genähert, während dieser in zwei Metern Höhe auf einer Leiter arbeitete. Dann soll er dem 52-Jährigen zwei wuchtige Schläge von hinten gegen Kopf und Rücken versetzt und dabei dessen Tod billigend in Kauf genommen haben. Dieser sei daraufhin von der Leiter gefallen und habe zwei Platzwunden am Kopf mit einer Länge von fünf und sieben Zentimetern sowie Schmerzen an Schulter und Rücken erlitten. Konkret in Lebensgefahr sei er jedoch nicht gewesen.

Angeklagter schildert die Tat anders

Dem Grunde nach hat der Angeklagte über Verteidiger Jüdt die Tat eingeräumt, die Abläufe jedoch teilweise anders geschildert. Unter anderem hatte er erklärt, er habe mit dem späteren Opfer schon zwei Tage vorher Streit gehabt, dieser habe ihn als „Zigeuner“ beschimpft. Er habe daher den Vorarbeiter gebeten, nicht mehr mit seinem Landsmann zusammenarbeiten zu müssen. Dennoch sei es am 6. Dezember 2024 wieder zu dieser Konstellation gekommen, da es aus organisatorischen Gründen offenbar nicht anders möglich gewesen sei.

Der 52-jährige Kollege sei an dem Tag zu ihm gekommen und habe die Qualität seiner Arbeit kritisiert. Als er erwidert habe, seine Arbeit sei vom Vorarbeiter abgenommen worden, sei der Kollege die Leiter zu ihm hinaufgestiegen und habe ihn zu einer Schlägerei aufgefordert. Er sei abgestiegen und habe seinen Kontrahenten weggeschubst, als dieser auf ihn zugekommen sei. Kurz darauf habe er einen Schnitt im Gesicht gespürt und zum ersten Mal gesehen, dass der Mann ein Cuttermesser in der Hand habe.

Als Reaktion habe er diesem dann mit der Akkubohrmaschine auf den Kopf und ins Gesicht gehauen. Als dann der Kollege zum Vorarbeiter gegangen sei, um sich zu beschweren, habe er erstmals das Blut an seiner Wange gespürt. Er sei dann ebenfalls zum Vorarbeiter gegangen und habe gedroht, den Kollegen bei der Polizei anzuzeigen. Daraufhin habe sich dieser noch aggressiver benommen.

Als sie wieder an die Arbeit geschickt worden seien, habe er Angst gehabt, dass sein Kollege ihn nochmals mit dem Messer angreifen würde. Daher habe er eine Stange vom Boden aufgehoben und habe den Kollegen damit geschlagen, als er auf der zweituntersten Stufe der Leiter stand. „Es war aber kein Schlag mit voller Wucht, und ich wollte ihn auch nicht verletzten. Ich wollte nur, dass der Streit aufhört“, hatte der Angeklagte über seinen Verteidiger ausführen lassen. Der Kollege sei dann zu Boden gegangen.

Wann fällt das Urteil?

Angst vor einer erneuten Messerattacke

Er wisse heute nicht, warum er nicht einfach weggelaufen und die Polizei angerufen habe. Sein Urteilsvermögen sei möglicherweise getrübt gewesen, da er am Morgen erfahren hatte, dass es Komplikationen bei der Operation seiner Tochter gegeben habe und diese möglicherweise erblinden könne. Er sei anschließend zu einer Tankstelle gegangen und habe eine Frau dort gebeten, die Polizei anzurufen. Als diese kam, sei er mit den Beamten zur Baustelle zurückgegangen.

Für den Prozess sind drei weitere Verhandlungstage geplant, das Urteil soll am 9. Juli verkündet werden.