Zwei 22 und 23 Jahre alte Männer stehen in Stuttgart wegen versuchten Totschlags vor Gericht. Sie sollen einen Mann am Hauptbahnhof schwer verletzt haben.

Stuttgart - Ein lauer Sommerabend. Die zwei jungen Männer, die vor der 2. Jugendstrafkammer auf der Anklagebank sitzen, hatten sich am 21. Juni 2014 im Schlossgarten das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Ghana angeschaut und ein paar Bier getrunken. Das Ergebnis – 2:2 – gab keinen Anlass für alkoholbefeuerte Aggressionen. Trotzdem kam es später am Hauptbahnhof zu einer wüsten Schlägerei, die den zwei Burschen aus dem Rems-Murr-Kreis eine Anklage wegen versuchten Totschlags eingebracht hat.

 

Angeklagter sagt, er habe helfen wollen

„Ich wollte nur helfen“, sagt der heute 22-Jährige. Er und sein Kumpel seien vor dem Intercity-Hotel gestanden, weil ihre S-Bahn erst in 20 Minuten fahren sollte. Dort sei ihm ein Mann aufgefallen, der verbal auf ein Mädchen eingewirkt habe. Der 22-Jährige fühlte sich berufen einzugreifen. Der damals 27-jährige Mann solle die Frau in Ruhe lassen. Dass es sich um ein streitendes Pärchen handelte, konnte der Angeklagte nicht wissen. Das Pärchen ließ ihn offenbar wissen, er solle sich nicht einmischen. „Wir gingen weg, aber ich hatte ein schlechtes Gefühl“, so der 22-Jährige. Also sei er wieder zu dem Paar gegangen. Es wurden Beleidigungen ausgetauscht, es kam zu einer Schubserei.

„Er hat mir die Faust ins Gesicht geschlagen, ich ging zu Boden“, sagt der 22-Jährige. Sein Kumpel sei dazwischengegangen und plötzlich „war mein Fuß an seinem Kopf“, so der Angeklagte. Er habe aber nicht gezielt zugetreten. Dann seien er und der Mitangeklagte weggegangen. „Das hört sich anders an als das, was der Staatsanwalt vorgetragen hat“, sagt Vorsitzende Richterin Sina Rieberg, und: „Was sollte dieser Fußtritt?“ Das könne er auch nicht sagen, so der 22-Jährige.

Aus vollem Lauf ins Gesicht getreten

Der Ankläger spricht davon, dass der 23-Jährige das Opfer in den Schwitzkasten genommen und ihm die Luft abgedrückt habe. Der 22-Jährige habe zugetreten, beide hätten den Geschädigten dann mit Fäusten und Knien traktiert, bis Passanten eingeschritten seien. Als alles vorbei zu sein schien, sei der 22-Jährige noch einmal zu dem Opfer gegangen und habe ihm „aus vollem Lauf“ ins Gesicht getreten. „Davon weiß ich nichts“, sagen beide Angeklagten.

Der 27-Jährige wurde mit einer schweren Gehirnerschütterung und etlichen Hämatomen in eine Klinik eingeliefert. Die Angeklagte fuhren nach Hause, wurden aber drei Wochen später in Untersuchungshaft genommen. Inzwischen sind sie gegen Meldeauflagen auf freiem Fuß. Der Prozess hätte bereits vergangenen Jahres beginnen sollen, musste jedoch wegen der Erkrankung eines Prozessbeteiligten verschoben werden.

Dem Opfer Schmerzensgeld angeboten

Die zwei Angeklagten, der jüngere ein Einzelhandelskaufmann, der ältere Praktikant mit Aussicht auf eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Veranstaltungstechnik, haben dem Prügelopfer Entschuldigungsbriefe geschrieben. „Ich hätte mich nicht in eueren Streit einmischen sollen. Es tut mir leid“, so der 22-Jährige in seinem Schreiben. Er ist bereit, dem Geschädigten ein Schmerzensgeld zu bezahlen. Dem Anwalt des Opfers schweben insgesamt 3000 Euro für seinen Mandanten von den beiden Angeklagten vor. Der Prozess wird fortgesetzt.