Als der erlösende Schlusspfiff ertönte, sank Leonidas Stergiou erst einmal in sich zusammen – völlig außer Atem, beide Hände auf die Knie gestützt, mehrere Sekunden lang. Der Schweizer Rechtsverteidiger hatte beim 3:1-Sieg zum EM-Auftakt gegen Ungarn zwar nur knapp eine halbe Stunde gespielt, in dieser kurzen Zeit aber mehr zu verteidigen gehabt als in einer handelsüblichen Partie mit dem VfB Stuttgart in der zurückliegenden Bundesliga-Saison.
Das lag auch ein Stück weit am Zeitpunkt seiner Einwechslung: Als sich Stergiou in der 68. Minute bereit machte, hatten die Ungarn gerade den 1:2-Anschlusstreffer durch Barnabas Varga erzielt – nach einem der vielen Angriffe über links. Der Schweizer Trainer Murat Yakin reagierte und brachte auf der rechten Abwehrseite den frischen Stergiou für den gelbverwarnten Silvan Widmer (31) vom FSV Mainz 05. Das Angriffsschema der Ungarn änderte sich auch danach nicht. So stand der 22-jährige VfB-Profi öfter im Fokus als ihm lieb war, insbesondere der Freiburger Roland Sallai (27) machte in der Schlussphase mächtig Dampf.
Stergiou hält die rechte defensive Seite dicht
„Vieles ist über meine Seite gekommen. Sie haben versucht, da Überzahl zu kreieren. Es war nicht einfach“, sagte Stergiou eineinhalb Stunden nach Spielende in den Katakomben der Kölner Arena über die zurückliegende defensive Schwerstarbeit, die durch die häufigen hohen Bälle der Ungarn angesichts seiner Körpergröße von 1,79 Metern auch nicht gerade erleichtert wurde. Stergious Bilanz? Mal klärte er per Kopf (71.), mal verlor er ein Kopfballduell (73.). In der 82. Minute leistete er sich einen Ballverlust und fing sich einen Tunnel ein, lief aber davor und danach auch immer wieder Löcher zu. An offensive Akzente war nicht zu denken, unter dem Strich hielt er die rechte Seite dicht, ein weiteres Gegentor blieb aus.
So ging es in der Nachspielzeit nach dem Treffer von Breel Embolo zum 3:1 kollektiv ab in die Schweizer Kurve zum ausgelassenen Jubeln. „Wahnsinn“ sei sein EM-Debüt im erst vierten A-Länderspiel gewesen, sagte Stergiou im Anschluss: „Die Stimmung war wirklich unglaublich und hitzig zu dem Zeitpunkt, als ich reingekommen bin.“
Voller Fokus auf Schottland – noch nicht auf Deutschland
Gegen weitere solcher Erlebnisse hätte der schnelle Defensivakteur selbstredend nichts einzuwenden, zugleich gibt er sich aber bescheiden: „Es wäre natürlich schön. Wenn der Trainer mich einsetzen möchte, bin ich bereit.“ Womöglich steht Stergiou dann ja im letzten Gruppenspiel seinen Stuttgarter Teamkollegen im DFB-Trikot im direkten Duell gegenüber. „Ich freue mich auf diese Begegnung mit den Jungs“, sagt er, „beide Mannschaften haben jetzt eine gute erste Partie gespielt.“
Der volle Fokus liegt aber zunächst auf der kommenden Begegnung. „Zuerst ist jetzt Schottland wichtig, um den nächsten Schritt zu machen. Auf das werden wir jetzt hinarbeiten“, sagt Stergiou, „dann können wir schauen, was wir für eine Ausgangslage gegen Deutschland haben.“ Nach Lage der Dinge deutet vieles auf ein Duell um den Gruppensieg hin.