Stuttgart - In der Dieselaffäre haben drei niederrangige Mitarbeiter von Daimler wegen Betruges Haftstrafen von unter einem Jahr auf Bewährung erhalten. Entsprechende Strafbefehle des Amtsgerichts Böblingen seien inzwischen rechtskräftig geworden, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Es handele sich um die ersten rechtskräftigen Verurteilungen wegen Abgasmanipulationen im Zuständigkeitsbereich der Anklagebehörde. Ein weiteres Verfahren sei gegen eine Geldauflage eingestellt worden, gegen vier Beschuldigte werde noch ermittelt.
Ein Daimler-Sprecher betonte, die Strafbefehle richteten sich „nicht gegen das Unternehmen“, sondern gegen einzelne Mitarbeiter. Zu möglichen internen Konsequenzen für diese hieß es nur, das Unternehmen werde ihnen „nicht kündigen“.
Amtsgericht Böblingen erlässt Strafbefehle
Betroffen sind laut Staatsanwaltschaft ein Mitarbeiter „aus einer der unteren Führungsebenen des Unternehmens“, nämlich ein Teamleiter und zwei Sachbearbeiter ohne Personalverantwortung. Im Juli habe das Amtsgericht Böblingen die von den Ermittlern beantragten Strafbefehle gegen sie erlassen. Darin wird ihnen zur Last gelegt, für unzulässige Abschalteinrichtungen in bestimmten Dieselmodellen verantwortlich gewesen zu sein. Es gehe um Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6, die Daimler zwischen August 2011 und Dezember 2016 auf den europäischen Markt gebracht habe; genaue Typen wurden nicht genannt. Wegen der Software für die Motorsteuerung seien sie von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts betroffen gewesen. Ebenfalls ein Sachbearbeiter war es, gegen den eine Geldauflage verhängt wurde. Weder deren Höhe noch das genaue Maß der Freiheitsstrafen auf Bewährung wurde mitgeteilt.
Die Identität der verurteilten Daimler-Mitarbeiter ist nicht bekannt. Offenbar haben sie die Strafbefehle und die damit verbundene Schuldfeststellung akzeptiert, um einen öffentlichen Prozess zu vermeiden. Zu diesem wäre es gekommen, wenn sie Widerspruch eingelegt und aufrechterhalten hätten. Dabei wäre ihre eigene Verantwortung genauer beleuchtet worden, aber womöglich auch die Rolle des Unternehmens. Ob dieses Vorgehen auf Wunsch von Daimler erfolgte oder zumindest abgestimmt war, blieb auf Anfrage offen.
Daimler: keine Strafe fürs Unternehmen
Ein Daimler-Sprecher betonte, es handele sich um „Individualverfahren“ gegen drei Mitarbeiter. „Die Strafbefehle richten sich nicht gegen das Unternehmen.“ Die rechtliche Einschätzung der Justiz, dass es sich um Betrug handele, teilt der Autokonzern nicht. Nach seinen Erkenntnissen „war die Auslegung der höchstkomplexen Vorschriften durch die Mitarbeiter zum maßgeblichen Zeitpunkt vertretbar und erfolgte jedenfalls nicht in der Absicht, unrechtmäßig zu handeln“. Die Annahme eines Strafbefehls, der nach deutschem Recht bei Fehlverhalten mit einem begrenzten Strafmaß infrage komme, bezeichnete der Sprecher als „individuelle Entscheidung“. Beschuldigte könnten sich damit „die belastenden Umstände eines Strafprozesses ersparen“.
Auf die Frage nach internen Konsequenzen für die Verurteilten hieß es, man könne sich „zu etwaigen Disziplinarverfahren gegen einzelne Mitarbeiter nicht öffentlich äußern“. Mit einem Rauswurf müssen sie jedenfalls nicht rechnen. „Das Unternehmen wird den Mitarbeitern nicht kündigen“, so der Sprecher. Damit wird auch eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung vermieden, bei der die Rolle der Mitarbeiter und des Unternehmens thematisiert worden wäre.
Bußgeld von 870 Millionen Euro bezahlt
Daimler hatte im Zuge der Dieselermittlungen vor zwei Jahren ein Bußgeld von 870 Millionen Euro erhalten. Damit ahndete die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht in einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung. Diese habe dazu geführt, dass Fahrzeuge Genehmigungen erhielten, obwohl der Ausstoß von Stickoxiden teilweise nicht den regulatorischen Anforderungen entsprach. Gegen den Bußgeldbescheid hatte Daimler keine Rechtsmittel eingelegt, so dass er rechtskräftig wurde.