Der Streit um die Instandhaltungskosten für den Gingener Kirchturm geht in die nächste Runde. Die Gemeinde legt Berufung gegen das Verwaltungsgerichtsurteil ein.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Gingen - Seit vielen Jahren erhitzen die Auseinandersetzungen über den Turm der evangelischen Johanneskirche in Gingen die Gemüter. Es geht dabei, wie so oft, ums Geld – und vorerst einmal bleibt alles beim Alten. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat jetzt entschieden, dass die bürgerliche 4400-Seelen-Gemeinde auch weiterhin fünf Sechstel der Kosten für die Instandhaltung des Turms, der Uhr und des Geläuts tragen muss. Genau dagegen hatte die Kommune geklagt.

 

Festgeschrieben ist die Höhe dieser Beteiligung in einer sogenannten Ausscheidungs- und Abfindungsurkunde aus dem Jahr 1890. Untermauert wurde die Unterhaltspflicht und mit ihr die vereinbarte Quote dann durch eine gesetzliche Baulastvorschrift im Württembergischen Evangelischen Kirchengesetz von 1924. Nicht nur aus Sicht des Gingener Bürgermeisters Marius Hick ist der in der Verordnung fixierte Satz viel zu hoch, „weil sich Bedeutung und die Funktion des Turms und seiner Einrichtungen einfach geändert haben“.

Gericht: Rechtsnorm ist nie außer Kraft getreten

So waren der evangelischen Kirche in der Klage weit niedrigere Zuschüsse angeboten worden – 25 Prozent für Sanierungen des Turms, 75 Prozent für den Unterhalt der Uhren und 20 Prozent für den der Läuteanlage und der Glocken. Darauf, so befand die Sechste Kammer des Verwaltungsgerichts in der Landeshauptstadt, habe die Klägerin keinen Anspruch, da die festgesetzte Beteiligungsquote auf einer gesetzlichen und keiner vertraglichen Verpflichtung basiere. Auch sei die Baulastvorschrift als Rechtsnorm nie außer Kraft getreten, weil nicht behauptet werden könne, dass sich die Verhältnisse völlig geändert hätten, obwohl es zugegebenermaßen einen Bedeutungswandel gegeben habe.

Weiter führte das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus, dass in der Ausscheidungs- und Abfindungsurkunde nicht die Funktionen, etwa Zeitanzeige oder Alarmierung, sondern die der Kommune eingeräumten Nutzungsrechte festgeschrieben worden seien. Ob sich bezüglich der Funktionen eine Änderung ergeben habe, sei für die Entscheidung deshalb unwesentlich gewesen. Gefragt sei nun der Gesetzgeber. Nur dieser könne die Kirche verpflichten, die Beteiligungsquote anzupassen, stellte das Verwaltungsgericht abschließend fest und ließ wegen  der „grundsätzlichen Bedeutung“ eine Berufung beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim zu.

Berufung beim Verwaltungsgerichtshof

Dass es wohl dazu kommen werde, hatte der Vorsitzende Richter Kurt Bräuchle, wie berichtet, bereits bei der Verhandlung am 6. November in Stuttgart deutlich gemacht. Der Gingener Rathauschef konnte sich deshalb sowohl auf den Urteilsspruch wie auch auf eine eventuelle Fortsetzung des Verfahrens einstellen. „Wir haben uns im Gemeinderat einstimmig dazu entschlossen, nun auch den nächsten Schritt zu machen“, erklärte Hick gestern. Die Anwälte seien mit der Berufung bereits beauftragt. „Aus meiner Sicht hat es zwar gute Gründe gegeben, unserer Rechtsauffassung zu folgen, aber es ist nun einmal anders gekommen“, fügte er hinzu. Zumindest aber hätten die Richter die Bedeutung des Falles gewürdigt, was sich einerseits im Zulassen der Berufung, aber auch in der Höhe des Streitwerts zeige, der immerhin 100 000 Euro betrage.

Matthias Krauter, evangelischer Gemeindepfarrer in Gingen, freute sich hingegen über „die gute Botschaft“. Er sei mit dem Urteil natürlich sehr zufrieden. „Froh bin ich vor allem darüber, dass das Gericht die Angelegenheit sehr sachlich behandelt hat“, betonte er. Dass die Gegenseite nun die Möglichkeit nutzt und in Berufung geht, dafür hat Krauter Verständnis: „Wir hätten es genauso gemacht, wenn die Sache andersrum ausgegangen wäre.“ Da es sich um einen Präzedenzfall handle, müsse man die Geschichte durchziehen, ergänzte er.

Über die Zulässigkeit der Berufung wird der VGH im Januar entscheiden. Wann verhandelt wird, ist jedoch noch völlig offen.