Wer muss wie viel für die Sanierung von Turm, Uhren und Geläut der Gingener Johanneskirche bezahlen? In 14 Tagen wird das Urteil verkündet.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Gingen - Eine gütliche Einigung, so viel steht nach der gestrigen Anhörung vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht fest, gibt es nicht mehr. „Wir werden entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit keinen Vergleich vorschlagen, sondern eher eine Berufung zulassen“, erklärte der Vorsitzende Richter Kurt Bräuchle. Und seine Kollegin Michaela Donovang fügte hinzu: „Um ein bestehendes Rechtsproblem zu klären, ist es aus unserer Sicht sinnvoll, in dieser Sache eine Regelung herbeizuführen.“

 

„Diese Sache“ ist ein schon seit geraumer Zeit schwelender Streit zwischen der Kommune und der evangelischen Kirchengemeinde Gingen, in dem es um die Unterhaltskosten des Turms, des Uhrwerks und des Geläuts der Johanneskirche geht. Fünf Sechstel der für Reparaturen oder Sanierungen erforderlichen Aufwendungen muss die bürgerliche Gemeinde tragen, so zumindest regelt es ein Vertrag, der im Jahr 1890 auf Basis des württembergischen Kirchengesetzes abgeschlossen worden ist.

Rechtsweg eingeschlagen, um Sachverhalt zu klären

Im Jahr 2006 wurde die Abmachung vom früheren Bürgermeister Lothar Schober nach etlichen ergebnislos verlaufenen Gesprächsrunden einseitig gekündigt. Die Kirche wies das Ansinnen verständlicherweise zurück, und so war es eine der ersten Amtshandlungen das neuen Gingener Bürgermeisters Marius Hick, das Thema wieder aufs Tapet zu bringen, nachdem er Schobers Nachfolge angetreten hatte. Sein Vorschlag zum Kostensplitting: die bürgerliche Gemeinde übernimmt 25 Prozent beim Turm, 75 Prozent bei den Uhren sowie 20 Prozent bei den Glocken und bei der Läuteanlage. „Eine Einigung war aber leider nicht möglich, und so haben wir den Rechtsweg eingeschlagen, um den Sachverhalt klären zu lassen“, betonte Hick gestern.

Auch der Gemeindepfarrer Matthias Krauter hatte den Weg nach Stuttgart angetreten, „um zu sehen, wie das Gericht mit dieser sachlichen Differenz umgeht.“ Dass in der Angelegenheit schon die Fetzen geflogen sind, machte er allerdings deutlich: „Jetzt ist die Atmosphäre zwischen Kirche und Kommune nicht mehr gereizt. Es hat aber auch Zeiten gegeben, da war das Verhältnis wegen dieser Streitigkeiten zerrüttet.“

Davon konnte gestern in der Stuttgarter Augustenstraße keine Rede mehr sein. Lediglich die Anwälte der beiden Parteien gerieten sich wegen eines reichlich spät zugestellten Schriftsatzes in die Haare. Die Richterin Donovang erstickte den Zwist jedoch im Keim: „Die Aktenlage reicht aus, um den Fall ohne diesen Schriftsatz entscheiden zu können“, sagte sie. Dies geschah, wie vor einem Verwaltungsgericht üblich, indes noch nicht. Klägerin und Beklagte wollten nicht einmal einen richterlichen Tenor hören. Man warte die Entscheidung samt Begründung ab, hieß es unisono.

Gericht will Urteil in zwei Wochen verkünden

Eine etwaige Tendenz ließ sich deshalb während der Verhandlung höchstens in Nebensätzen ablesen. So gehe es in einem ersten Schritt vor allem darum, zu klären, ob die ganze Geschichte auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einer gesetzlichen Festlegung beruhe. Kurt Bräuchle machte deutlich, „dass wir eher zur gesetzlichen Festlegung neigen“. Folge man dieser Annahme, müssten sich die Verhältnisse, welchen Nutzen die Kommune von Kirchturm & Co. habe, vollkommen verändert haben, um das Gesetz außer Kraft zu setzen. „Das ist zumindest zweifelhaft“, stellte der Vorsitzende Richter klar.

Allein die Tatsache, dass der Zweck des Kirchturms mit Glockengeläut als Alarmsignal und der Kirchturmuhr als Zeitanzeige in heutiger Zeit an Bedeutung verloren hätten, ändere nichts am eingeräumten Nutzungsrecht und an der Geschäftsgrundlage, ergänzte Donovang. Bernhard Rauscher, der Anwalt der bürgerlichen Gemeinde, stellt dies in Abrede und erklärte, „dass das Maß der Nutzung der zentrale Punkt ist“. Der Vertreter der Kirchengemeinde, Michael Quaas, folgte derweil der Argumentation des Gerichts. Bis in zwei Wochen soll im Kirchturmstreit schriftlich das Urteil ergehen. Doch Stuttgart ist nicht das Ende der Fahnenstange. Marius Hick hat bereits angedeutet, dass man notfalls vor den Verwaltungsgerichtshof gehe.