Er ähnelt einer legendären Vespa, verpustet aber keine Abgase und macht keinen Krach: der Elektroroller Unu. Seit zehn Jahren ist er der rollende Untersatz von Pfarrerin Vinh an Vu. Die gebürtige Vietnamesin ist seit zweieinhalb Jahren in den evangelischen Kirchengemeinden Hedelfingen, Rohracker, Frauenkopf tätig und fährt auch schon mal im Talar von Gottesdienst zu Gottesdienst – auf dem Elektroroller. „Die Leute stutzen schon, wenn sie mich so sehen, und schauen noch mal hin“, sagt die 37-Jährige. Da sie Doppelgemeinden in den Neckarvororten betreut, muss sie flink unterwegs sein, etwa wenn sie von der Bernhardskirche zur Frauenkopfkirche unterwegs ist. Jetzt verwirklicht die im früheren Saigon geborene Vu ihre lang gehegte Idee eines Vespa-Gottesdienstes. „Mit der Veranstaltung zielen wir auf alle begeisterten Vespa-Fahrerinnen und -Fahrer ab. Gemeinsam kurven wir in entspannter Atmosphäre durch die Weinberge und feiern das Geschenk des Lebens.“ Gefahren wird am 14. September vom Eugensplatz bis zur Grabkapelle. Die Vespa ist für An Vu ein Symbol für das unbeschwerte Leben, gemütlich, nicht zu schnell und nicht zu laut. Deshalb dürfen neben Vespas auch Mopeds und Roller mitfahren unter dem Motto „Glauben unterwegs – auf zwei Rädern in Richtung Himmel“.
Vom Eugensplatz bis zur Grapkapelle mit der Vespa
Die begeisterte Rollerfahrerin ist mit vier Jahren gemeinsam mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen, zuerst nach Bremen, dann nach Stuttgart, wo sie das Mörike-Gymnasium besucht hat. 2006 hat Vinh an Vu ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Israel gemacht. „Es war sehr gewinnbringend und bereichernd“, sagt Vu. In Israel hat sie in einem Gästehaus gearbeitet, das in einem Dorf 30 Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt lag. Das sei damals kurz nach der Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel gewesen, und es habe im Ort noch eine bedrückende Stimmung geherrscht, weil zuvor dort auch eine Rakete eingeschlagen hatte. Eigentlich sei es gefährlich gewesen, sagt sie im Rückblick. Sie habe dort ein Jahr lang gearbeitet, zwar keine gefährlichen Situationen erlebt, aber die Anspannung. Kurz vor ihrem Aufenthalt hatten noch öfter die Sirenen geheult. „Ich habe in Israel gelernt, dass es kostbar ist zu leben“, sagt die Pfarrerin heute. Auch habe sie dort den Wechsel zwischen „Absurdität und Normalität“ erlebt, und ihr sei deutlich geworden, wie wichtig es ist, den Moment zu genießen.
Gelernt, dass es kostbar ist zu leben
Vu hat in Tübingen, Berlin, Greifswald und Halle Theologie studiert und in Norddeutschland, wo sie auch eine Zeit lang wohnte. Als Vikarin fuhr sie auf dem Motorrad ihres Ausbildungspfarrers mit und erlebte einen Motorradgottesdienst. Sie mag auch Motorräder, doch für die Tour in Stuttgart sind jetzt leise Vespas gefragt, die auch in ihrer Geburtsstadt zuhauf rollen: In Saigon leben rund 10 Millionen Einwohner, unterwegs sind sie unter anderem auf 7,5 Millionen Mopeds.
Die Idee zum Vespa-Gottesdienst hatte Vu schon lange: Als ihre Mitarbeiterin, Diakonin Julia Wagner, erzählte, dass ihre rote Vespa bald nach Stuttgart kommen würde, ergriff sie die Gelegenheit und organisierte mit ihrem Team die Veranstaltung.
Drei Zwischenstopps mit Lesung, Predigtimpuls und Musik
Der erste Stuttgarter Vespa-Gottesdienst, organisiert in Absprache mit der Stadt Stuttgart und den Verwaltern der Grabkapelle, beginnt am 14. September um 14 Uhr am Eugensplatz. Dort ist der Startpunkt, an dem Pfarrerin Vu die Teilnehmer begrüßt. Nach dem „Reisesegen“ beginnt die Fahrt, bei der drei Zwischenstopps geplant sind: Im Garten der Frauenkopfkirche im Rohreckweg gibt es eine Lesung von Diakonin Julia Wagner, im Garten der Bernhardskirche in Rohracker einen Predigtimpuls von Pfarrerin Vu, und in der Kreuzkirche in Hedelfingen spielt Kirchenmusikdirektorin Manuela Nägele auf der Orgel. Danach geht es dann zur Grabkapelle.
Immer voran auf der Tour: Pfarrerin Vu auf ihrem blauen Roller, Julia Wagner bildet mit ihrer roten Vespa das Schlusslicht.