Am Sonntag, 25. Februar, öffnet die Esslinger Vesperkirche wieder ihre Tore. Das dreiwöchige Begegnungsprojekt in der Frauenkirche ist wichtiger denn je.

Esslingen - Die Esslinger Vesperkirche wird zehn Jahre alt. Sie ist eine Erfolgsgeschichte, doch Feierstimmung will nicht so richtig aufkommen, wenn die Tore der Frauenkirche am Sonntag, 25. Februar, wieder für drei Wochen offen stehen werden, um den Besuchern ein Mittagsmahl für 1,50 Euro zu bescheren.

 

„Jede Vesperkirche ist auch ein Stück mahnendes Zeichen für Einsamkeit, Armut und Ausgrenzung“, schreibt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des mitveranstaltenden Kreisdiakonieverbandes, in der Jubiläumszeitung. Seine bittere Bilanz nach zehn Jahren: „Wer arm ist in dieser Gesellschaft, der bleibt auch arm – an Geld, an Kultur und an Teilhabe.“ Menschen, die 40 Prozent seines Einkommens allein fürs Wohnen ausgeben müsse, bliebe für andere Bereiche, sei es ein Kindergeburtstag oder ein Lokalbesuch, nichts mehr. In der Esslinger Frauenkirche zeige sich das Gesicht der Armut mehr noch als in den wesentlich kleineren Vesperkirchen in Nürtingen und Kirchheim.

Der Vesperkirchen-Etat beträgt 100 000 Euro

Umso wichtiger sind für Haußmann und für den Esslinger Dekan Bernd Weißenborn die drei Wochen, in denen sich die Frauenkirche, eine vor rund 500 Jahren vollendete gotische Hallenkirche, in eine Herberge für alle verwandelt. „Wir teilen etwas von unserem Glauben und der Nächstenliebe“, sagt Weißenborn im Namen des Mitveranstalters, der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Esslingen. Dieses Verantwortungsgefühl für die Menschen, die, „auf der anderen Seite der Wirklichkeit“, vom Wohlstand abgehängt seien, kennzeichne den Kern der Vesperkirche. 100 000 Euro nehmen die Organisatoren in die Hand, um diese Idee für drei Wochen lebendig werden zu lassen.

Siegfried Bessey, der Vorsitzende des Kirchengemeinderats, hat die Erfahrung gemacht, dass die Vesperkirche noch über diesem begrenzten Zeitraum hinaus wirkt. „Durch die Vesperkirche sind viele Kontakte entstanden, die weit über die drei Wochen hinausreichen“, sagt er. Als Begegnungsprojekt spreche sie nicht nur die Gäste an, die an den Tischen Platz nehmen würden, sondern auch jedes Jahr bis zu 500 Helferinnen und Helfer hinter den Kulissen. Nicht zu vergessen die Kontakte über die Hilfs- und Begegnungsangebote, auf die regelmäßig in dem Kirchenraum hingewiesen würden.

Gerlinde Kretschmann bindet sich zum Auftakt die Helferschürze um

Während in der Kirche selbst das über die Jahre bewährte Programm geboten sein wird, greift die Kirchengemeinde das Jubiläum auf, um einen von Jugendlichen des Beruflichen Ausbildungszentrums (BAZ) Esslingen geschaffenen runden Vesperkirchentisch auf die Reise durch die Stadt zu schicken. An 20 Stationen wird der aus fünf verschiedenfarbenen Teilen zusammengesetzte Tisch die Idee des Begegnungsprojekts in die Fläche tragen. „Wir machen damit Werbung für den Ort, an dem der Tisch Station macht, aber auch für die Vesperkirche“, sagt Alexander Bergholz, der das Projekt betreut.

Werbewirksam wird auch schon der Auftakt am 25. Februar sein. Ein um 10 Uhr beginnender ökumenischer Gottesdienst mit Weißenborn und dem Oberkirchenrat Dieter Kaufmann spannt den Bogen über das Projekt, bei dem Gerlinde Kretschmann mit gutem Beispiel vorangeht. Die Frau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten wird sich am Eröffnungstag die Helferschürze umbinden.