Zum achten Mal findet die Vesperkirche in Ludwigsburg statt. Die Veranstalter bauen auf die Hilfe von insgesamt 500 freiwilligen Helfern, die in drei Wochen tausende von Menschen mit Essen versorgen. Doch in der Friedenskirche geht es nicht immer friedlich zu.

Ludwigsburg - Heute ist Schnitzel-Tag – es gibt ein kross paniertes Stück Fleisch, daneben Kartoffelsalat und dazu eine Suppe. Kurz nach halb zwölf. Die Vesperkirche hat gerade erst die Türen geöffnet und Gisela Vogt, Pfarrerin der Ludwigsburger Friedenskirche, kann jetzt schon sagen, dass es an diesem Sonntag einen regen Andrang geben wird. Am Samstag waren es 486 Essen, die ausgegeben wurden. Heute sollen es wohl rund 550 werden. Kein Wunder. Es ist eben Schnitzel-Tag.

 

Links und rechts, in den beiden Flügeln der hell erleuchteten Kirchenhalle, stehen mehrere Tische, die bereits alle besetzt sind. Am Eingang bildet sich allmählich eine längere Menschenschlange. Viele können es kaum erwarten, am Tisch Platz zu nehmen und gemeinsam zu essen. „Schnitzel ist besonders beliebt“, sagt Vogt. Aus Erfahrung. Sie veranstaltet die Vesperkirche nun bereits zum achten Mal in Folge. Zusammen mit der Sozialarbeiterin Bärbel Albrecht hat sie vom 12. Februar bis zum 5. März die Leitung über die Veranstaltung, die in drei Wochen insgesamt rund 10 000 Menschen anzieht.

Er kennt die meisten nur von der Straße

Vom „Aufblitzen von Gottes Reich“ spricht die Pfarrerin, wenn sie erklärt, was die Vesperkirche so beliebt macht bei den Menschen. „Hier passiert etwas, was wir im christlichen Glauben als Ideal ansehen“, erklärt Vogt. Während in der Gesellschaft die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter aufklaffe, fänden hier in der Friedenskirche täglich Menschen aus den unterschiedlichen sozialen Klassen zueinander. „Wenn man die Geschichten hört und erkennt, wie Menschen in ihre schwierige Lage gekommen sind, dann kann man sie viel besser verstehen“, sagt Vogt.

Michael Burkhardt, ein kahlköpfiger, großgewachsener Mann, der seine Sonnenbrille lässig verkehrt herum aufgesetzt hat, kommt genau deshalb fast täglich zur Vesperkirche – seit fünf Jahren. Der Benninger bezeichnet sich selbst als „Lebenskünstler“, er sei finanziell abgesichert. „Ich kenne die meisten Leute hier von der Straße“, sagt der 46-Jährige, der neben einem alten Schulkamerad steht und einen Kuchen verschlingt. „Für mich ist die Vesperkirche seit jeher immer dasselbe geblieben“, sagt er.

Manche Gäste werden ungeduldig

Doch in der Vesperkirche geht es nicht immer so friedlich zu, wie es scheinen mag. Petra Wagner, 51 Jahre alt, bereits im sechsten Jahr als Ehrenamtliche dabei, steht zwischen den Kirchenbänken. Sie ist mit fünf anderen Personen für die Begrüßung der Gäste zuständig. „Bitte Platz nehmen“, sagt sie zu zwei Männern mit hungrig drein blickenden Augen. Sie legen ihre Rucksäcke ab, lassen sich in die Bank fallen. „Wenn die Tische voll sind, müssen die Gäste hier warten“, sagt Wagner. Der eine oder andere werde da schon mal ungeduldig.

Auch Vogt hat ihre schlechten Erfahrungen gemacht. „Es menschelt schon“, sagt die Pfarrerin und schmunzelt. Da gehe es dann auch mal um ein größeres Kuchenstück, das ein anderer ergattert hat. Aber solche Auseinandersetzungen seien schnell erledigt.

Was auf die Gäste zutrifft, ist bei den Ehrenamtlichen nicht anders. Nicht jeder Job ist beliebt. Zum Beispiel die Spülküche. In die führt eine Treppe ins Untergeschoss. Am Ende eines langen Ganges, durch den ein Ehrenamtlicher einen klimpernden Metallwagen mit Geschirr schiebt, stehen fünf Personen in einem kleinen Raum – wer hier ist, kann nur im Weg stehen. Sie hantieren mit Wasser gefüllten Eimern. Die Spülmaschine brodelt, Besteck klimpert. Viel geredet wird nicht. Vogt weiß: die Ehrenamtlichen würden lieber bei den Gästen sein. „Das macht am meisten Spaß, aber sie haben Verständnis, dass dieser Job gemacht werden muss.“

„Es wäre ein Erfolg, wenn es die Vesperkirche nicht geben müsste“

Schon damals, bei der ersten Vesperkirche vor acht Jahren, hatte Vogt keine Probleme, an Ehrenamtliche zu kommen, die das Fundamet dieser diakonischen Veranstaltung bilden. „300 Freiwillige waren es damals“, so Vogt. Jetzt sind 500, täglich sind 65 bis 70 Leute im Einsatz. Die Jüngsten, 14 Jahre, sind Konfirmanden ihrer Gemeinde und kommen ein Mal die Woche. Die Älteste war 92, bevor sie im vergangenen Jahr verstarb. „Über die Jahre hinweg haben sich sehr enge Beziehungen zwischen den Ehrenamtlichen gebildet“, erzählt die Pfarrerin.

Insgesamt kostet die Vesperkirche laut Vogt rund 80 000 Euro. Das Plus, das erwirtschaftet wird, fließt zum Großteil in die Vesperkirche im darauffolgenden Jahr. Solange das Projekt kostendeckend ist, darf es auch weiter bestehen. Das macht die Vesperkirche abhängig von Gästen, die bereit sind, mehr zu zahlen als die 1,50 Euro. Denn für das Essen, das in der Karlshöhe zubereitet wird, zahlt die Kirche fünf Euro. „Eigentlich“, sagt Vogt nachdenklich, „wäre es ein Erfolg, wenn es die Vesperkirche nicht mehr geben müsste.“ Aber in drei Wochen lasse sich die Armut eben nicht abschaffen.