Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper hat in der Vesperkirche Schoko-Muffins verteilt, und dabei von Nöten und Bedarf solcher Angebote erfahren.
„Klar!“ Lachend nimmt der Mann am Ausgabeschalter hinter der Leonhardskirche Frank Nopper den Schoko-Muffin ab. Stuttgarts Oberbürgermeister macht sich in der Vesperkirche ein Bild über die Lage von Menschen in prekären Lebenssituationen. 500 Muffins hat er dabei, das Gros in der Kirche verteilt – nach einem „Faktencheck“ also Gesprächen mit Besucherinnen und Besuchern, Haupt- und Ehrenamtlichen. Diakonie und der EKD haben #wärmewinter ausgerufen – als Zeichen für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe.
In der Leonardskirche werden heute Bifteki mit Reis, Paprikasauce und vegetarische Falafelbällchen serviert – für einen Euro, wer zahlen kann. „Manche geben mehr, für andere“, sagt eine Freiwillige. Gekocht wird im Rudolph-Sophien-Stift. Dessen inklusives Küchenteam versorgt mehr als 1000 Seniorinnen und Senioren, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Mitarbeitende und Kita-Kinder – und stemmt nun 700 Mahlzeiten zusätzlich für die Vesperkirche.
Der Bedarf an Lebensmitteln ist gestiegen
„500 davon für die Leonhardskirche“, sagt Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann. „200 für die anderen Ausgabestellen.“ Dazu gehören die Evangelische Gesellschaft eva, Bahnhofsmission, Olgastraße 46, Sankt Maria, Harrys Bude unter der Paulinenbrücke sowie Erwin’s Bude am Erwin-Schöttle-Platz.
Der Bedarf sei gestiegen wegen Inflation, Energie und der allgemeinen höheren Kosten. „2021 waren es 600 Essen am Tag.“ 400 belegte Brote werden zusätzlich ausgegeben – mit Lebensmitteln von Großbäckerei und Supermärkten. „Wir benötigen am Tag 120 Laibe Brot, 10 Kilo Butter, je 12 Kilo Wurst und Käse – und 40 Freiwillige insgesamt.“ 20 davon schmieren und belegen just die Brote. Von 13 Uhr bis 14 Uhr bietet ein Ärzteteam in der Apsis medizinische Versorgung. „Alles ehrenamtlich“, sagt Ehrmann.
Sieben Wochen ist die Vesperkirche geöffnet täglich von 9 bis 16.15 Uhr, der Schlussgottesdienst ist am 4. März. Zu den Angeboten gehören zudem Beratung, Tierfütterung, einmal in der Saison Tierimpfungen, Friseur, Fußpflege und Kulturveranstaltungen. Die Hanke Brothers traten auf, Akkordeonmatador Stefan Hiss, den Abschluss gestaltet der Vesperkirchen-Chor „rahmenlos & frei“.
Viele Gäste kommen auch aus Einsamkeit
„Wir wollen Menschen Teilhabe auf allen Ebenen bieten“, sagt Ehrmann. Etwa fünf Prozent der Gäste seien obdachlos, viele kämen auch aus Einsamkeit. 1995 rief Diakoniepfarrer Martin Friz die erste Vesperkirche im Land ins Leben, nicht nur, um Bedürftige zu speisen, sondern auch damit Menschen, die sich sonst nicht begegnen, zusammenkommen können. „Manche sind den ganzen Tag hier“, schildert Ehrmann. Die Vesperkirche sei „für den Körper und auch für Geist und Seele“, sagt der OB, der manche Nöte hört. „Mein Leben lang gearbeitet – und nun Grundsicherung!“, konstatiert ein Mann. Eine Rentnerin fragt, warum die Stadt für ihre Angestellte das geplante Deutschlandticket zu 49 Euro bezahle. „Mir bleiben 300 Euro zum Leben!“ Pfarrerin Ehrmanns Anregungen nimmt der OB auf – ein Spülmobil und jemanden vom Jobcenter, um das Beratungsangebot zu ergänzen.