In der und rund um die Vesperkirche am Leonhardsplatz sorgt ein Team für Ordnung und Sauberkeit. Einzelne Helfer sind dazu verdonnert worden, andere sind Gäste, die freiwillig ihren Dienst an der Gemeinschaft leisten.

Stuttgart - Per Definition ist Dreck eigentlich einfach nur „Materie am falschen Ort“. Für das Putzteam der Vesperkirche ist das Sauberhalten der Leonhardskirche und des Platzes davor mehr als das bloße Wegputzen eben dieser Materie: Sie haben eine Aufgabe, der sie sich schon beinahe hingebungsvoll widmen. „Für die Teilnehmer ist es die erste regelmäßige Arbeit seit langem“, sagt die Diakonin Sylvia Grosser, die für die Koordination des Putzteams zuständig ist. „Das gibt Zuversicht, Selbstvertrauen und Anerkennung von den Gästen der Vesperkirche.“

 

Zehn Mitglieder des Putzteams arbeiten ehrenamtlich mit, zwei weitere leisten ihre Arbeitsstunden hier ab. Einer von ihnen ist Adrian, der 94 Arbeitsstunden verordnet bekommen hat. „Bin zu viel schwarz gefahren“, gibt er kleinlaut zu. Er kennt die Vesperkirche schon länger: in den vergangenen Jahren war er immer wieder als Gast hier. „Ich bin seit fünf Jahren arbeitslos und hänge die meiste Zeit nur zu Hause rum“, sagt er. Langeweile und somit Alkohol und Drogen bestimmten das Leben des 33-Jährigen. „Ich hatte einfach keinen Grund mehr, morgens aufzustehen.“ Seit er im Putzteam ist, hat er einen geregelten Tagesablauf, muss morgens pünktlich in der Leonhardskirche sein und dort den Tag über verschiedene Dienste erledigen. „Es tut richtig gut, etwas zu tun zu haben“, sagt er, als er eine leere Wasserkiste wegbringt und eine volle an den Ausgabetisch trägt.

Das Schlimmste sind die gebrauchten Spritzen

Adrian ist zum ersten Mal im Team, der 57-jährige Alfons hingegen arbeitet seit 19 Jahren mit. Auch dieses Mal hat er es sich nicht nehmen lassen mitzuhelfen, obwohl er ohne Krücke nicht mehr laufen kann und schwach auf den Beinen ist. „Die dreckigen Tassen kann ich schon noch einsammeln und wegräumen“, sagt er und ergänzt: „Ich muss halt ein bisschen öfter Pausen machen als die anderen.“ Er hat in den vergangenen Jahren schon alle Dienste erledigt, die für das Team anfallen: Essen aus dem Transporter ein- und ausladen, mit der Zange den Müll auf dem Leonhardsplatz einsammeln, zum Feierabend die Stühle auf die Tische stellen und anschließend die Kirche ausfegen. „Das Schlimmste aber ist“, sagt Alfons, „die gebrauchten Spritzen einzusammeln.“ Verständnislos schüttelt er den Kopf. „Es kommen schließlich auch Kinder hierher!“

Großen Respekt und Anerkennung für ihren Dienst erntet das Putzteam von den Gästen der Vesperkirche. „Toll, dass ihr hier so aushelft“, ruft ein Besucher dem Team zu, als es die schweren Essenscontainer aus dem kleinen Transporter lädt, der mehrmals täglich das warme Mittagessen aus dem Rudolf-Sophien-Stift bringt. „Aus dem Weg“, ruft Helfer Jan. Eine Gasse bildet sich, das Putzteam kann das Essen in die Kirche tragen und auf die Ausgabeplätze stellen. Auf dem Rückweg nimmt es dreckiges Geschirr mit und lädt es wieder in den Transporter, damit es im Rudolf-Sophien-Stift abgespült werden kann.

Aus Gästen werden Helfer

Auf dem Vorplatz halten die beiden Freundinnen Ulli und Steffi ihre Zwickzangen in den Händen, sammeln damit jede einzelne Zigarettenkippe auf, achtlos weggeworfene Taschentücher und alles andere, was sich am Vormittag angesammelt hat. Während die beiden sorgfältig ihrer Arbeit nachgehen, lässt jemand unachtsam seine Kippe fallen. „Ey“, ruft Ulli quer über den Platz,, „da hinten steht ein Aschenbecher, Mann!“ Sie dreht sich zu ihrer Freundin Steffi, sagt zu ihr: „Was geben wir denn sonst für ein Bild nach außen ab, wenn hier immer alles dreckig ist.“ Sowohl Ulli als auch Steffi waren ursprünglich Gäste in der Vesperkirche, seit mehreren Jahren helfen sie jetzt im Putzteam aus. „Wenn ich hier schon jeden Tag herkomme“, sagt Steffi, „dann kann ich auch helfen, statt einfach nur Kaffee zu trinken.“

Die wenigen Plätze im Putzteam sind jedes Jahr wieder hart umkämpft, erzählt die Diakonin Grosser: „Es tut den Mitarbeitern gut, im Team zu arbeiten. Sie freuen sich richtig auf diese Zeit im Jahr, das ist ein fest eingeplanter Termin.“ Die Zusammensetzung des Teams sei jedes Jahr wieder neu und auch eine kleine Herausforderung, gibt Grosser zu. „In diesem Jahr klappt es aber sehr gut“, sagt sie, und Ulli ergänzt: „Konflikte gibt es schon auch, aber die werden schnell gelöst.“ Die einfachste Lösung ist dann zumeist, dass alle gemeinsam zupacken – wie zum Beispiel auch kurz nach der Abschlussandacht um 16 Uhr. Knapp 300 Stühle müssen auf den Tischen gestapelt werden, anschließend wird der Boden gekehrt und gewischt. Feierabend ist dann gegen 17 Uhr. Am nächsten Morgen kommen alle gerne wieder.