Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir besucht wie jedes Jahr trotz knapper Zeit die die Vesperkirche und erzählt von Pommes und Roter Wurst.

Stuttgart - Was darf ich Ihnen bringen?“ „Bitte einen Kaffee“, antworteten die beiden Damen, und der Mann vom Service mit der weißen Schürze servierte prompt. Auf Cem Özdemir ist Verlass. Für einen Einsatz in der Vesperkirche hat sich der grüne Politiker als Stuttgarter Bundestagsabgeordneter alljährlich Zeit genommen. Ob er das als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auch schaffen würde? Erst recht vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine? „Wir haben nicht mehr damit gerechnet und freuen uns jetzt umso mehr“, versicherte Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann, als der Minister am vorletzten Tag der Vesperkirchen-Saison doch noch angeradelt kam und wieder die Schürze mit dem Vesperkirchenlogo umband. Auch wenn es angesichts der angespannten Situation und zwischen Konferenzen nur für eine Stunde reichte: „Putins Krieg“, sagte Özdemir ohne Umschweife, „treibt uns alle um.“

 

Der Imbiss wird im Freien gegessen

Auf dem Speiseplan stand Fisch wie jeden Freitag: Heringsbrötchen. Ein Imbiss auf die Hand, im Freien zu verzehren, weil die Pandemie bis vor drei Wochen den Aufenthalt in der Kirche verbot. 30 000 Essen wurden in sieben Wochen ausgegeben, 15 000 Vespertüten und 12 000 Tassen Kaffee. Ohne Fleisch oder Wurst geht es von Montag bis Donnerstag nicht, die vegetarische Alternative werde allerdings erstaunlich gut angenommen. Aber zum Abschluss, also heute, gebe es traditionell Schnitzel.

Er wolle keineswegs ein Plädoyer gegen den Fleischkonsum halten, versicherte Özdemir auf Ehrmanns Frage, ob man in der Vesperkirche etwas verbessern könne und solle. Aber er plädiere für eine Reduzierung des Tierbestandes, für bessere Haltung und einen sozial verträglichen Umbau der Landwirtschaft. Und man müsse, dieser Krieg habe es bitter deutlich gemacht, die Abhängigkeiten von Futtermitteln und Energie reduzieren.

Ein Kochbuch ist geplant

Die Feststellung von Gabriele Ehrmann, dass sich Menschen mit geringem Einkommen ökologisch einwandfreies und gesundes Essen kaum leisten können, bestätigte Özdemir aus eigener Erfahrung: Er habe sich lange von Roter Wurst und Pommes ernähren müssen. Aber das dürfe weder in Kitas noch Kantinen länger geduldet werden. Dafür wollen Gabriele Ehrmann und Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle das Bewusstsein wecken: Mit einem Kochbuch, zu dem die Gäste der Vesperkirche ihre Lieblingsrezepte beitragen dürfen.

Die Vesperkirchensaison endet heute um 16 Uhr mit einem Abschlussgottesdienst in der Leonhardskirche. Danach, so Gabriele Ehrmann, „bilden wir eine Menschenkette gegen den Krieg und für den Frieden.“