Der VfB-Profi Santiago Ascacibar spricht über die argentinischen Fußballidole, seine harte Spielweise und die Zukunft in Stuttgart.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Santiago Ascacibar hat seine zweite Gelbsperre in dieser Fußballsaison abgesessen und ist gegen Werder Bremen an diesem Samstag wieder dabei – voller Einsatzfreude. „Es hat noch kein Trainer von mir verlangt, es vorsichtiger angehen zu lassen“, sagt der 21-jährige Mittelfeldspieler vom VfB Stuttgart.

 
Herr Ascacibar, beantworten Sie doch bitte gleich einmal die Glaubensfrage für jeden argentinischen Fußballer: Maradona oder Messi – wer ist der Beste aller Zeiten?
Das ist sehr schwer zu sagen, da beide großartig sind. Lionel Messi beweist nahezu in jedem Spiel auf welch besonderem Niveau er spielt. Und Diego Maradona hat zu seiner Zeit eine ganze Fußballepoche geprägt.
Ihre rechte Wade ziert aber nur eine Maradona-Tätowierung.
Ja, obwohl ich ihn aufgrund meiner Jugend nie habe wirklich spielen sehen. Aber mein Vater Javier und auch andere Menschen haben mir als Kind sehr viel über Diego Maradona erzählt. Wie außergewöhnlich er damals für ganz Argentinien war. Das hat mich interessiert und ich habe mir dann sehr viele Maradona-Videos angeschaut. Mit 14, 15 Jahren bin ich schließlich auf die Idee gekommen, mir dieses Tattoo stechen zu lassen.
Und die linke Wade ist nun für Lionel Messi reserviert?
Nein, Maradona ist einzigartig, fast ein Gott, in dem was er gemacht hat. Er hat in Argentinien ein Davor und ein Danach markiert. Außerdem war diese Tätowierung sehr schmerzhaft.

Wer sind seine Vorbilder?

Dabei heißt es beim VfB immer, dass Sie gar keinen Schmerz kennen – so hart wie Sie ihre Gegner attackieren.
Das ist nett zu hören, aber ich kann Ihnen versichern, dass das Tattoo weh getan hat. Und was meine Spielweise angeht, ist diese schon immer so gewesen: voller Energie.
Gibt es andere Spieler, die ihrer Spielweise ähneln und die Sie inspirieren?
Ja, eine ganze Reihe. Denn heutzutage kann man ja im Fernsehen oder im Internet weltweit alle Ligen verfolgen. Als Kind fand ich im defensiven Mittelfeld immer Javier Mascherano gut. Natürlich weil ich ihn zunächst in der argentinischen Nationalmannschaft sehen konnte, später hat mich auch seine Spielweise fasziniert: aggressiv, aber ebenso strategisch. Jetzt gibt es Arturo Vidal vom FC Bayern oder Marco Verratti von Paris St. Germain, die ich auf meiner Position als herausragend betrachte. Auch N’Kolo Kanté vom FC Chelsea und Miralem Pjanic von Juventus Turin schaue ich mir gerne an – und von ihnen allen kann ich lernen.
Alles Spieler, die auf höchstem europäischen Niveau spielen. Ist das auch ihr Ziel?
Natürlich, jeder Fußballer in Argentinien träumt davon, es nach Europa zu schaffen. Weil es mehr Geld zu verdienen gibt, aber vor allem weil hier die besten Spieler versammelt sind. Mit ihnen will man sich messen.
In Stuttgart wird das schwer. Wo sehen Sie ihre Zukunft?
Ganz klar, erst einmal beim VfB. Das ist der Club, bei dem ich mich zeigen will. Hier bin ich mit dem Kopf und vollem Herzen dabei.
Wie schwierig ist es dabei, ihre Spielweise der Bundesliga anzupassen?
Ehrlich gesagt, bin ich im Rückblick selbst ein bisschen verwundert, wie schnell und problemlos ich mich gleich zurechtgefunden habe. Man darf ja nicht vergessen, dass ich von einem anderen Kontinent komme und der Fußball in Argentinien ganz anders läuft. Die Spiele in Deutschland sind sehr intensiv. Alles passiert sehr schnell und alle Mannschaften sind auf Umschaltmomente aus. Hin und her, hin und her – so geht es die ganze Zeit und man muss sehr aufpassen, dass man nicht in Konter läuft.

Ascabibar will seine Spiel nicht umstellen

Wie läuft es in Argentinien?
Emotionaler und manchmal auch härter. Die Schiedsrichter pfeifen, was den Körperkontakt anbelangt, häufig großzügiger als in Deutschland.
Ist das ein Grund, warum Sie beim VfB schon zehn Gelbe Karten gesammelt haben und zuletzt gesperrt zuschauen mussten?
Nein, denn ich habe auch in Argentinien viele gelbe Karten bekommen. Ich habe auch nicht vor, mein Spiel diesbezüglich zu ändern. Die zweikampfbetonte Spielweise gehört zu mir.
Haben ihre VfB-Trainer Tayfun Korkut oder zuvor Hannes Wolf schon versucht, Sie auf dem Platz ein wenig zu zähmen?
Nein, es hat noch kein Trainer von mir verlangt, es vorsichtiger angehen zu lassen. Bei unserer Arbeit auf dem Platz geht es meist um spieltechnische oder taktische Verbesserungen. Da versuche ich alles aufzunehmen, um mein Spiel weiter zu entwickeln.
Wie zufrieden sind sie bisher mit ihrer Premierensaison in Deutschland?
Sehr, da ich von Anfang an viel Einsatzzeit erhalten habe. Darum geht es ja für mich als junger Spieler. Deshalb hatte ich auch schnell ein gutes Gefühl in Stuttgart und das entsprechende Selbstvertrauen.
Wie groß ist ihr Selbstvertrauen in Bezug auf die kommende WM?
Ich gebe gerne zu, dass ich von der Nationalmannschaft und der WM träume. Ich gebe die Hoffnung auch nicht auf, noch nach Russland mitzureisen. Aber auf meiner Position existiert große Konkurrenz und es besteht im Moment kein Kontakt zu Nationaltrainer Jorge Sampaoli.
Was erwarten Sie gegen Werder Bremen?
Wie immer ein enges Spiel, da die Liga zwischen dem vierten und dem 18. Tabellenplatz sehr ausgeglichen ist. Die Bremer verfügen über eine starke Mannschaft, da werden Kleinigkeiten entscheiden.
Die Anpassung auf dem Fußballfeld ist nun das eine, wie gelingt Ihnen die Eingewöhnung außerhalb des Platzes?
Sehr gut, denke ich. Obwohl die Lebensweise in Argentinien völlig anders ist. Hier ist alles sehr ordentlich, und die Menschen sind alle pünktlich und strebsam. Da muss man sich schon daran halten und kann nicht ausscheren. Das fällt mir aber nicht schwer, da es meiner Mentalität ebenfalls entspricht, ehrgeizig zu sein.

Dreimal die Woche Deutschunterricht

Wie man hört, lernen Sie fleißig Deutsch.
Ja, ich bemühe mich und es wird besser mit der Sprache. Auch weil mich der Verein stark unterstützt. Ich habe dreimal die Woche Deutschunterricht und zu Hause lerne ich weiter Vokabeln. Manchmal sind das fußballspezifische Spracheinheiten, manchmal sind sie allgemeiner. Mal ist es Einzelunterricht, mal in der Kleingruppe.
Und was macht Ihr südamerikanisches Lebensgefühl?
Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich lebe in Esslingen und lerne die Stadt immer besser kennen. Auch in Stuttgart weiß ich schon einige Plätze, wo ich hingehen kann. Dabei hat es mir sehr geholfen, dass die ersten zwei Monate mein Vater hier war. Jetzt lebt meine Freundin Karen bei mir. Sie stammt ebenfalls aus La Plata. Das macht es für mich einfacher, weil ich meine Familie und Freunde natürlich vermisse.
Aus welchen Verhältnissen stammen Sie?
Ich würde sagen aus normalen. Ich hatte ein gutes Leben in Argentinien, da meine Eltern stets Arbeit hatten. Meine Mutter arbeitete zunächst als Pförtnerin und mein Vater als Polizist, dann haben sie einen eigenen Supermarkt eröffnet, den sie weiterhin betreiben.
Entspringen Sie einer fußballverrückten Familie?
Sicher, drei meiner vier Brüder spielen Fußball, nur der Älteste nicht. Meine drei jüngeren Brüder spielen beim Club Estudiantes de La Plata in der Jugend – dort, wo auch ich lange gespielt habe.