Auf den letzten Drücker retten sich der VfB Stuttgart ins Ziel und kann ein weiteres Jahr Fußball-Bundesliga planen. Wataru Endo köpft sein Team beim 2:1 gegen den 1. FC Köln ins Glück – anschließend nehmen die Fans das Stadion auseinander.

Auch weit über eine Stunde nach Spielschluss musste die Stadionansage die Fans wieder und wieder bitten, auf ihre Plätze zurückzukehren. Am Ende warnte sie sogar vor Lebensgefahr und Toten, da sich die Massen noch immer zu Tausenden drängten und an den Ballfangnetzen zogen. Der Innenraum sah da längst aus wie nach einer Abriss-Party. Die Tore zusammengebrochen, die Ersatzbänke zersplittert, der Rasen herausgerissen und mit Bierbechern gepflastert. Eine solche Eskalation der Fans hat der Club von 1893 noch nicht erlebt. Nicht nach den Deutschen Meisterschaften, nicht nach Aufstiegen oder geglückten Rettungen. Dieser Samstag toppte alles.

 

2:1 (1:0) hatte der VfB Stuttgart am 34. Spieltag den 1. FC Köln besiegt, durch ein Last-Minute-Tor von Kapitän Wataru Endo in der Nachspielzeit. Sein Kopfballtreffer nach einem Eckstoß ließ den VfB im allerletzten Moment doch noch auf den rettenden 15. Rang rutschen. Hertha BSC hatte zeitgleich bei Borussia Dortmund mit 1:2 verloren und muss nun statt des VfB in die Relegation.

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„Nie mehr zweite Liga“, tönte es hernach unentwegt aus der Cannstatter Kurve, als sich die Mannschaft noch einmal feiern und ihren Kapitän hochleben ließ. „Ich breche innerlich gerade zusammen“, stammelte Sasa Kalajdzic auf der Ehrenrunde. Waldemar Anton hatte seinen Kopf zumindest soweit wieder beisammen, noch einmal auf das Entscheidende der vorangegangen 90 Minuten zu sprechen zu kommen: „Wir haben bis zum Schluss an uns geglaubt.“

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Den Schluss markierte die zweite Minute der Nachspielzeit. Borna Sosa trat einen letzten Eckball. Hiroki Ito verlängerte am ersten Pfosten, von hinten kam Endo herangerauscht und köpfte den Ball unter die Latte. Ein Siegtreffer, den viele nicht mehr für möglich gehalten. Zu hektisch gerieten die letzten Angriffsbemühungen der Gastgeber, als der Rückstand der Berliner nach 84 Minuten die Runde gemacht und das Stadion zum Kochen gebracht hatte.

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Lange Zeit waren die Kölner in der zweiten Halbzeit dem 2:1 sogar näher als der VfB, der sein Pulver während der ersten 45 Minuten verschossen hatte. Mehr als ein Tor von Kalajdzic (12.) sprang aber nicht heraus. Unmittelbar vor seinem Kopfballtreffer nach einem Eckstoß hatte der Österreicher noch einen Elfmeter verschossen. Und vergab gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen Chance um Chance auf eine komfortablere Führung. Mit 1:0 ging es in die Pause, demselben Ergebnis, mit dem der Konkurrent aus Berlin zur selben Zeit in Führung lag. Nach dem Wechsel musste der VfB in der ausverkauften Arena dem hohen Tempo der ersten Hälfte Tribut zollen. Der Effzeh kam besser ins Spiel – und nach 59 Minuten zum Ausgleich. Torhüter Florian Müller ließ eine harmlose Flanke durch die Hände rutschten, Kölns Torjäger Anthony Modeste bedankte sich mit dem 1:1.

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Die Relegation, sie schien fest gebucht für den VfB. Ehe Torhüter Müller beim letzten Eckball nach vorne stürmte und so auch seinen Anteil am Siegtreffer hatte. Der Rest war Ekstase. „Das kann man nicht in Worte fassen“, versuchte Pellegrino Matarazzo zu erklären, was nicht zu erklären war. Er hatte noch nicht einmal gesehen, wer das Tor erzielt hatte, war sogleich über den Platz gerannt und unter einer Traube jubelnder Spieler begraben worden. Doch noch war nicht Schluss, es folgten einige bange Minuten – in Stuttgart wie in Dortmund. Denn auch dieses Spiel war noch nicht zu Ende. Um 17:29 Uhr brachen schließlich alle Dämme – es folgte ein Platzsturm, an dessen Ende man froh sein durfte, dass „nur“ Inventar zu Bruch ging und niemand sonst. Matarazzo und sein Team waren sogleich in die Kabine geflüchtet, ehe sie sich nach einer Stunde nocheinmal vor den Fans verabschieden konnten. Als der Trainer in der obligatorischen Pressekonferenz nach der Zukunft gefragt wurde, gingen dem US-Amerikaner die Worte aus. „I don’t know. Mein Kopf ist leer.“