Der VfB ist in der Krise und das Cannstatter Konklave sucht Lösungen. Und neue Heilsbringer. Dabei raucht es. Nur: Es komm kein weißer Rauch und auch kein schwarzer. Sondern es herrscht einfach nur dicke Luft am Stammtisch. Da bleibt nur, im Rückspiel gegen Lazio auf ein Wunder zu hoffen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Jogi hat es eilig. Der SWR-1-Musikchef hat noch andere Verpflichtungen an diesem Dienstagabend. Er ist später noch unterwegs, in Gottes Namen. Wie so viele in diesen Tagen. Aber er muss keinen Papst wählen. Jogi (evangelisch) muss zur Sitzung des Kirchengemeinderats, weswegen er aufs Tempo drückt und ohne große Umschweife im Vesperstüble erst zwei Fleischküchle verdrückt und dann schlecht gelaunt seine Thesen an die Wand nagelt, oder so ähnlich, jedenfalls: „Früher war es so, dass man in so einer Phase zwar einen neuen Trainer geholt hat, aber der Verein trotzdem funktionierte, weil man einen guten Präsidenten hatte. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist der ganze Verein beschädigt.“ Überall Probleme. Team. Trainer. Binnenverhältnis Publikum/Verein. Präsident.

 

Habemus Probleme.

Kein Rauch, nur dicke Luft

Das Cannstatter Konklave sucht Lösungen. Und neue Heilsbringer. Es raucht. Kein weißer Rauch. Kein schwarzer Rauch. Einfach nur dicke Luft am Stammtisch. Eine Atmosphäre aus Wut, Frust, Resignation und Zigaretten. „Wir lassen kein Fettnäpfchen aus. Dieser Viagogo-Deal, dann ist kein sportliches Konzept erkennbar, die Spiele sind fürchterlich, der Führungsstil des Präsidenten ist offenbar mies, wir Zuschauer müssen uns anbäffen lassen, und im Umfeld verlassen die Urgesteine den Club“, sagt Thommi: „Ich verliere den Glauben.“ Die Cannstatter Glaubenskrise.

Für die fünf Dauerkartenbesitzer ist die Person Gerd Mäuser eines der ganz großen Probleme, getreu dem allseits beliebten Fisch-Motto. . . Der Präsident soll ja, wie die Clique so hört und liest, den Verein führen, wie früher die Förster-Buben verteidigt haben: robust und rustikal, mit einer ordentlichen Portion Aggressivität. Ein Rücktrittsgesuch würde die Clique, vorsichtig gesagt, eher nicht ablehnen. Wenn selbst der Papst zurücktreten kann, warum dann nicht auch ein VfB-Präsident? Alex schlägt deshalb schon mal vor: „Wie wäre es, den MV zurückzuholen? Oder den Staudt?“

Cannstatter Kardinalsfehlersuche

Bei der Cannstatter Kardinalsfehlersuche jedenfalls ist sich der Fünferrat in einem einig: So kann es nicht weitergehen, so darf es nicht weitergehen. Es muss etwas passieren. „Wir geben auf allen Ebenen eine starke Bewerbung für die zweite Liga ab. Vielleicht reicht es noch nicht diese Saison, aber wenn wir so weitermachen, wird unsere Bewerbung in der neuen Runde sicher von Erfolg gekrönt sein“, sagt Jürgen voller Verbitterung. Der Kaufmann hat es derzeit ohnehin nicht leicht. Im Außendienst hat er viel mit Menschen zu tun, die um seine Liebe zum VfB wissen. Kürzlich hat einer im Hinblick auf Jürgens fußballfixierte Wochenendgestaltung angemerkt: „Ja aber warum machen Sie denn nicht mal was Schönes?“ Statt zum VfB zu gehen.

Joachim ist gar in eine Art Ist-mir-doch-egal-Stimmung verfallen, die schlimmste Art der Entfremdung von seinem Verein, die denkbar ist. „So weit war ich noch nie.“ Und Alex überlegt – wie so viele –, nach 50 Jahren zur neuen Saison keine Dauerkarte mehr zu holen: „Wenn die auf die Idee kommen, die Preise zu erhöhen, war es das“, sagt er, der sich übrigens auch einen Trainerwechsel wünscht: „Ich muss ihn daran messen, ob er das Team besser macht. Bei uns werden alle immer schlechter, mit Ausnahme von Gentner und Traoré vielleicht.“

Was bleibt? Rom.

So wie Alex geht es allen am Tisch. Sie verstehen es nicht. Sie sehen kein Konzept. Keine Entwicklung. Belastung hin oder her. Jogi sagt, dass man ja keine Gurkentruppe habe. Jürgen macht sich bereits Sorgen um die Gesundheit der Mittelfeldspieler angesichts der Spieleröffnung. „Die bekommen ja Genickstarre, weil sie dauernd in den Himmel gucken müssen, wie die Bälle über sie fliegen“, sagt er. Thommi ergänzt: „Du wirst ja schon als Masochist bezeichnet, wenn du zum Heimspiel gehst.“ Letzter der Rückrundentabelle, in der Europa League kein Heimspiel gewonnen, in der Liga drei.

Und die Wertschätzung fürs Kommen? „Zum Dank muss man sich noch beschimpfen lassen vom Verein. Jetzt muss ich mich noch entschuldigen, dass ich viel Geld zahle, aber vielleicht nicht so ganz hundertprozentig mit den Spielen zufrieden bin, oder was? Die müssten sich bei jedem persönlich bedanken, der noch kommt“, sagt Joachim. Frust pur. Jürgen platzt der Kragen. „Wir sind ein Operettenpublikum und verwöhnt? Das Gegenteil ist der Fall. Wir ertragen dieses Gekicke seit zwei Jahren geduldig – ich möchte mal sehen, was bei anderen Clubs los wäre. Operettenpublikum? Dass ich nicht lache! Es ist ja eher ruhig.“

Was bleibt? Rom. Die Ewige Stadt. Die Hoffnung auf Auferstehung. Die Clique meint: „Wir brauchen mal ein Erfolgserlebnis. Uns haben gegen Lazio alle schon abgeschrieben. Warum nicht mal überraschen, wenn keiner damit rechnet?