Es ist das Duell zweier Stoßstürmer, für die im WM-Kader von Bundestrainer Joachim Löw wohl nur ein Platz übrig ist. Jetzt bringt Sandro Wagner neue Brisanz in den Wettstreit mit Mario Gomez.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Im Land der offensiven Tempodribbler und unechten Neuner wie Timo Werner, Mario Götze, Thomas Müller, Mesut Özil oder Marco Reus haben es Mittelstürmer klassischer Prägung schwer. Denn bullige Kanten wie die Stoßstürmer Sandro Wagner (1,94 Meter Körpergröße) vom FC Bayern oder Mario Gomez (1,89 Meter) vom VfB sind in spielstarken Teams wie dem des Fußball-Weltmeisters nicht im Übermaß gefragt. Also ist längst durchgesickert, dass es neben dem gesetzten Leipziger Timo Werner wohl nur einen geben kann, wenn der Bundestrainer Joachim Löw am 4. Juni sein 23-köpfiges WM-Aufgebot für Russland (14. Juni bis 15. Juli) bekannt geben wird: Wagner oder Gomez – so lautet bis dahin also das große Preisrätsel.

 

Werbung in eigener Sache

Keine Frage, mit Blick auf das vergangene Bundesliga-Wochenende haben beide Stürmer sportlich Werbung in eigener Sache betrieben. Sandro Wagner, der bei den Bayern den sich im Saisonendspurt offenbar auf das Wesentliche konzentrierenden Robert Lewandowski in Freiburg bereits im dritten Auswärtsspiel vertrat, war mit sechs Torschüssen der emsigste Münchner Akteur – und er erzielte beim 4:0-Sieg des Rekordmeisters im Breisgau auch ein Tor. „Thomas Müller und ich kennen uns schon seit 20 Jahren und harmonieren gut“, sagte Wagner hinterher noch – was man durchaus als versteckten Hinweis darauf werten könnte, wer denn in der Nationalelf mit wem gut zusammen passe.

Doch auch Mario Gomez ließ am Wochenende erneut aufhorchen. „Ich bin mir sicher, dass er kein Bewerbungsschreiben braucht. Jogi Löw weiß, was er kann“, sagte der VfB-Trainer Tayfun Korkut über den „Tor-ero“ aus Riedlingen an der Donau, der mit zwei Treffern binnen zwei Minuten das Spiel in Köln zugunsten des VfB gedreht hatte. Zurück in Stuttgart hat Gomez bisher vier Tore erzielt, war fast an jedem Treffer des Aufsteigers beteiligt – und tut sich als emsig laufende Arbeitsbiene auf dem Platz und als Motivator in der Kabine hervor. Es ist also keine Frage: Mario Gomez, der die WM 2014 aufgrund einer Formkrise während seiner Zeit beim AC Florenz verpasste, ist derzeit sehr gut drauf. Und heiß auf die WM ist er obendrein.

„Ich bin überzeugt von mir, bin gut drauf“

Vielleicht deshalb glaubte der Münchner Wagner, der im Winter von der TSG Hoffenheim wie Gomez ebenfalls zu seinem Heimatclub zurück wechselte, seine sportlichen Leistungen nun verbal noch einmal toppen zu müssen. „Ich bin überzeugt von mir, bin gut drauf. In meinen Augen bin ich der beste deutsche Stürmer, das habe ich schon 1000 Mal gesagt, das wird sich auch nicht ändern. Ich bin sehr, sehr positiv, dass ich mitfahren darf“, erklärte Sandro Wagner – und gab damit erneut einen Beleg dafür, nicht mit zu wenig Selbstbewusstsein ausgestattet zu sein. „Fußballer verdienen zu wenig“, mit dieser kühnen These hatte der Stürmer ja 2016 geglänzt.

Dies aber hatte Joachim Löw nicht daran gehindert, Sandro Wagner im Vorsommer für die WM-Generalprobe, den Confedcup, zu nominieren. Mit Erfolg: Denn bei Turnierschluss standen für den 30-Jährigen unter dem Strich sieben Spiele, fünf Tore und der Titelgewinn.

Für Gomez spricht die internationale Erfahrung

Während der Freiburger Nils Petersen mit zwölf Ligatreffern in der Torjägerliste zwar formal der beste deutsche Stürmer ist, aber keine ernsthaften WM-Chancen besitzt, liegt die Sache bei Mario Gomez anders: Für den Stuttgarter spricht im Zweikampf mit Wagner die größere internationale Erfahrung von 71 Länderspielen (31 Tore), während sein Rivale vom FCB die besseren Jokerqualitäten besitzt.

Wie sehr Wagner das Duell aktuell beschäftigt, zeigt auch diese Aussage: „Der ein oder andere hat ja seinem Medienberater anscheinend schon einen WM-Vorschuss gegeben“, erklärte Wagner – und spielte auf ein Gomez-Interview in der „Welt“ an. Da hatte der 32-Jährige Stuttgarter gesagt: „Wenn ich jetzt bei den Bayern wäre, würde man natürlich Tore erwarten müssen.“ Beim VfB habe er dagegen viel weniger Torgelegenheiten. Dies hat Wagner offensichtlich als Spitze gegen sich empfunden.

Doch Dany Biegler von der „Fair-Sport-Marketing“, die dem Gomez-Berater Uli Ferber untersteht, sagt: „Wer Mario kennt, der weiß, dass er sich nicht über andere äußert.“ Und Gomez selbst ergänzt: „Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass in der Ruhe die Kraft liegt.“