Der VfB-Gegner Bayer Leverkusen muss mal wieder die überwunden geglaubte Bequemlichkeit im Team bekämpfen.

Stuttgart/Leverkusen -  Sami Hyypiä ist etwas ins Stottern geraten, als er vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart am Samstag gefragt wurde, warum die Leverkusener eigentlich so beharrlich an ihrem Saisonziel festhalten. „Ihr wollt doch nur eine Schlagzeile“, sagte der finnische Teamchef des Werksclubs nach einer ausgiebigen Denkpause „unser Ziel bleibt der internationale Wettbewerb.“

 

Hyypiä hat offenbar nicht richtig verstanden, worum es in diesem Augenblick eigentlich ging. Sicher hätten sich einige Zuhörer über die Schlagzeile „Hyypiä fordert Champions-League-Teilnahme!“ gefreut, der interessantere Hintergrund der Frage war aber ein anderer: Im Leverkusener Umfeld kursiert mal wieder der böse Verdacht, die defensive Haltung der Verantwortlichen fördere jene bequeme Lethargie, mit der sich dieser Fußball-Bundesligist seit Jahren daran hindert, die eigenen Potenziale auszuschöpfen.

Deshalb sehnen sich einige Beobachter nach deutlichen Worten, die das Team herausfordern. Der alte Vorwurf, diesem Verein fehle der letzte Erfolgshunger, war zuletzt immer lauter zu hören im Rechtsrheinischen. Bruno Labbadia schuf als Leverkusener Trainer einst das Bild von der „Komfortzone“, in der die Spieler ein angenehmes Leben führen, aber niemals über einen längeren Zeitraum an die Grenzen herankommen, die erreicht werden müssen, wenn man einen Titel gewinnen möchte. Derzeit ist wieder einmal zu beobachten, was der jetzige VfB-Coach meinte.

Rolfes: „Keine Leistungskrise, sondern Ergebniskrise“

Die Herren aus der Chemiestadt klagen über Spielansetzungen, loben die ansehnliche, aber oft brotlose Spielweise des Teams und suchen verständnisvoll nach Erklärungen für verschenkte Punkte. Jemand, der sich hinstellt und die viel zu ineffizienten Fußballer ermahnt, der mit den klaren Worten eines Matthias Sammer mehr fordert als die zwei Siege aus sechs Rückrundenpartien, gibt es nicht. „Wir haben zu viele Chancen liegen lassen, aber wir haben ja keine Spielkrise im eigentlichen Sinn“, hat der Sportdirektor Rudi Völler nach dem 0:0 zuletzt bei Greuther Fürth gesagt.

Die Analysen nach dem glücklichen 2:1 gegen den FC Augsburg, dem völlig unnötigen 3:3 in Mönchengladbach und dem Ausscheiden aus der Europa League gegen Benfica Lissabon klangen ähnlich wohlwollend. „Wir haben keine Leistungskrise, sondern eine Ergebniskrise“, meinte der Kapitän Simon Rolfes, einzig der Trainer Sascha Lewandowski legt ab und zu den Finger in die Wunde: „Unser Anspruch muss es trotz der grundsätzlich guten Leistungen sein, anders aufzutreten und sich im Endeffekt doch durchzusetzen.“

Dennoch ist Bayer Leverkusen in dieser Rückrunde wieder der gute alte Schönspielerclub, der ein Publikum begeistern kann, sich aber nicht zu den notwendigen Siegen durchbeißt. Dabei hatte Lewandowski gehofft, die Ära der ungekrönten Fußballkunst beenden zu können. Gemeinsam mit Hyypiä hat er explizit an der Mentalität des Teams gearbeitet, er wolle „den Eindruck bekämpfen, dass Bayer Leverkusen unter einem gewissen Phlegma leide“, hat Lewandowski im Herbst gesagt. „Wir wollen auch mal diesen Biss rüberbringen, der nötig ist, um richtig erfolgreich zu sein.“

Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Während einiger Wochen in der Hinserie, als die Leverkusener sich durch die Liga kämpften und 2:1 beim FC Bayern gewannen, sah es aus, als könne das gelingen. Aber schon damals sagte Lewandowski zum Mentalitätsproblem: „Als Trainer kann man zwar einiges anschieben, aber in diesem Bereich lassen sich nur schwer große Fortschritte machen. Das muss in erster Linie von der Mannschaft kommen.“

Die mäßigen Ergebnisse der Rückrunde haben allerdings einen weiteren Grund: Gegnerische Teams stellen sich besser auf die Spielweise der Werkself ein. In der Hinrunde hat Bayer einen brillanten Konterfußball gespielt, inzwischen installieren die meisten Gegner zusätzliche Absicherungen. „Wir sind als Mannschaft nicht mehr einfallsreich genug“, räumte der Mittelfeldspieler Gonzalo Castro gegenüber dem „Kicker“ ein, deshalb haben sie in dieser Woche ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, um endlich mal wieder einen Gegner zu überraschen.