Auch Trainer Thomas Schaaf kann den schleichenden Niedergang des nächsten VfB-Gegners Hannover 96 bislang nicht verhindern.

Hannover - Den Prellbock spielt er richtig gut. Wann immer in diesen düsteren Tagen für Hannover 96 Probleme gewälzt werden: Thomas Schaaf steht in der ersten Reihe und nimmt sich alle Zeit der Welt, um für Verständnis zu werben. „Wir wollen zum richtigen Ergebnis kommen. Aber das Entscheidende haben wir noch nicht gefunden“, sagt der Routinier. Anfang des Jahres war der 54-Jährige in Hannover als einer der populärsten deutschen Fußballtrainer und potenzieller Retter angetreten. Rund sieben Wochen später steht seine Karriere auf dem Spiel. Fünf Pleiten in fünf Partien mit Schaaf: Das liest sich wie eine Bewerbung für die zweite Liga, die eine ganze Region lähmt.

 

Alle hatten geglaubt, dass dieser Trainer die Hand auf ihren Verein legt und ihn mal eben so heilt. Die Wahrheit ist: Auch mit Schaaf ist keine Besserung in Sicht. Das Gute inmitten der schlechten Bilanz von Schaaf ist: Er gibt die Hoffnung nicht auf, dass sich noch etwas bessern könnte. Für das Wirrwarr in einem Verein, der vor zweieinhalb Jahren noch in der Europa League für Furore gesorgt hatte, braucht er sich nicht zu rechtfertigen. Für die aktuelle Krise des Tabellenletzten, der in der Fußball-Bundesliga mittlerweile acht Partien in Folgen verloren hat, schon eher. Schaaf war an der Auswahl von sechs Neuzugängen, die während der Winterpause verpflichtet worden sind, bereits beteiligt.

Von den jüngsten Nachbesserungen am Kader, die Schaafs Vorgänger Michael Frontzeck noch abgelehnt hatte, enttäuschen alle. Zum großen Unglück bei 96 fehlt nur noch, dass der vermeintliche Heilsbringer Schaaf entnervt abtritt. Aber wie sagt es der frühere Held von Werder Bremen? „Aufgeben kann ich nicht.“

Die Stimmung kippt

Die Stimmung in einer Stadt, die sich mehr als 14 Jahre am Stück an Erstliga-Fußball erfreuen durfte, ist trotz Schaaf längst gekippt. „Ich kann den Unmut der Zuschauer verstehen“, pflegt Torhüter Ron-Robert Zieler zu sagen, wenn die heimischen Fans ihr Team wieder einmal ausgepfiffen haben. Dass keine neue Hoffnung aufkommen will, lässt sich durch einen schleichenden Niedergang erklären. Martin Kind wird in der Vereinshistorie von Hannover 96 als jener Präsident in Erinnerung bleiben, dem Ruhm für die finanzielle Genesung und professionelle Strukturierung des Vereins gebührt.

Aber der 71 Jahre alte Unternehmer muss sich auch ankreiden lassen, in der jüngeren Vergangenheit systematisch den falschen Personen vertraut zu haben. Mit dem Abgang von Jörg Schmadtke, der 2013 nicht mehr Sportdirektor der „Roten“ sein mochte, ist das Gespür für kluge Transfers verloren gegangen. Und seitdem wird die Marke Hannover 96, die Kind so über die Landesgrenzen von Niedersachsen hinaus etablieren will, kontinuierlich beschädigt.

Rund 1000 Zuschauer, das darf angesichts der zerfahrenen Situation als Erfolg eingestuft werden, begleiten Hannover 96 an diesem Sonnabend zum Gastspiel beim VfB Stuttgart. Sie starten den erneuten Versuch, auf eine Mannschaft stolz zu sein, die so teuer wie noch keine andere des Vereins zuvor ist. Die Rückkehr des Japaners Hiroshi Kiyotake, der wegen einer Fußverletzung wochenlang als Spielgestalter ausgefallen war, gilt als einer der letzten Strohhalme. Den Rest an Optimismus versucht Schaaf als eine Art Guten-Laune-Onkel und Übervater des Mangels zu verbreiten. „Der VfB Stuttgart hat gezeigt: Auf einmal kann es sich drehen. Der war auch abgeschrieben. Da war schon der Stempel drauf“, sagt Thomas Schaaf.

Kind: „Ich werde nicht hinschmeißen.“

Deshalb ist im Stadion des VfB wieder mit Folgendem zu rechnen: Der Trainer steht an der Außenlinie, fuchtelt wild mit den Armen herum und treibt verzweifelt eine Elf an, die nicht mehr funktioniert. Keine Chance zu haben und diese zu nutzen – selbst diese Parole hat bei Hannover 96 vor der Dienstreise ins Schwäbische schon die Runde gemacht.

Sie sagen es nicht laut. Aber die Entscheider von Hannover 96, zu denen neben Kind und Schaaf seit Oktober 2015 Martin Bader als Geschäftsführer zählt, bereiten sich längst auf den Arbeitsalltag in der zweiten Liga vor. Kind wird seit Monaten von den Fans angefeindet, weil er ihnen das Gefühl vermittelt, er habe aus ihrem Club etwas Zahlungskräftiges und zwischenzeitlich Erfolgreiches, aber unter dem Strich etwas Blutleeres gemacht.

Trotzdem deutet sich an, dass Kind und Schaaf unabhängig vom Saisonausgang ihre Freude an den Aufgaben in Hannover bewahren wollen. „Ich werde nicht hinschmeißen“, sagt der angeschlagene Kind. Zumindest ein großer Fan stärkt ihm demonstrativ den Rücken. „Die Zusammenarbeit zwischen uns“, beteuert Schaaf, „passt vom ersten Moment an.“ Es rundet die Besonderheiten bei Hannover 96 ab, dass Schaaf äußerst erfolglos arbeitet – und dafür keinerlei Kritik fürchten muss.