Nach dem Abstiegskampf des VfB Stuttgart in der vergangenen Saison definiert Christian Gentner seine Führungsrolle in der Mannschaft neu. „Ich werde verstärkt von außen eingreifen, wenn es nicht läuft“, sagt Gentner. Auch Armin Veh bemerkt die Veränderung.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Christian Gentner erinnert sich noch gut. Er weiß noch, wie die Situation zu Beginn der vergangenen Rückrunde ins Rutschen geriet. Abwärts. Er war verletzt, und beim VfB Stuttgart setzte es eine Niederlage nach der anderen. Acht nacheinander. Gentner würde nie auf die Idee kommen, dass es da einen unmittelbaren Zusammenhang gegeben habe, doch der Mittelfeldspieler hat dennoch seine Lehren daraus gezogen.

 

Gentner, der Kapitän, will es nicht mehr laufen lassen. Nicht, wenn es nicht läuft. Das ist sein neues Rollenverständnis als Führungskraft des Fußball-Bundesligisten. „Ich werde verstärkt von außen eingreifen, wenn es nicht läuft“, sagt Gentner.

Gentner fordert mehr Teamgeist und mehr Disziplin

Damals hat er sich ja zurückgehalten. Weil er mehrere Spiele fehlte und erst nur spürte, aber dann auch sah, wie die jungen Rani Khedira und Moritz Leitner im Zentrum des VfB-Spiels nicht zurechtkamen; wie der unerfahrene Trainer Thomas Schneider ihnen dennoch immer wieder eine Chance gab. Und wie auch in der Mannschaft plötzlich Kräfte wirkten, die den Klassenverbleib gefährdeten.

„Erst Huub Stevens hat uns dann das Bewusstsein geschärft“, sagt Gentner im Rückblick – und will beim Blick nach vorne die alten Fehler vermieden wissen. Mehr Teamgeist, mehr Disziplin, mehr Ordnung. Das hat der bald 29-jährige Mittelfeldspieler auch angesprochen. Bei Manager Fredi Bobic intern – und zuletzt räumte er als Kapitän öffentlich bei der Mitgliederversammlung ein, dass es der Mannschaft zeitweise an Bundesligatauglichkeit gemangelt hatte.

Die Rolle des Routiniers auf dem Platz ist klar

Nicht grundsätzlich, aber eben in zu vielen Spielen. Seine Einschätzung hat er auch gegenüber dem neuen Trainer Armin Veh geäußert. „Wir reden viel“, sagt Gentner. Jedenfalls viel mehr als in Vehs erster Ära als Chefcoach in Stuttgart. Damals stand Gentner schon im VfB-Kader, allerdings als junger Reservist. Er wurde 2007 zwar Meister, aber erst über den Umweg VfL Wolfsburg – wo er erneut die Meisterschaft gewann und auch kurz mit Veh zusammenarbeitete – kehrte das Eigengewächs gestärkt zum Heimatverein zurück.

„Das hat ihm gutgetan“, sagt Veh, der jetzt auf einen gereiften Gentner trifft. Dessen Führungsanspruch stellt der Trainer nicht infrage – und die Rolle des Routiniers auf dem Platz ist auch klar: der Mittelfeldspieler wird nicht mehr als Sechser gesehen, sondern als Achter. Als einer, der sich vor der Abwehr nicht in alle Zweikämpfe hauen muss, sondern als einer, der gerne den Weg nach vorne sucht. Mit seiner Laufstärke und seinem Spielverständnis.

Zuletzt hatte der Kapitän Wadenprobleme

Auf jeden Fall ist Gentner einer, der das Stuttgarter Spiel zusammenhält. Ganz gleich, zu welcher Grundformation Veh tendiert. „Meine Rolle kann ich in jedem System interpretieren“, sagt Gentner. Zuletzt musste er aber im Trainingslager bei den Testspielen wieder zuschauen, weil er Wadenprobleme hatte. Einen Schlag hat er abbekommen und absolvierte im Zillertal viele Übungseinheiten mit dem Physiotherapeuten Gerhard Wörn – und/oder mit dem langzeitverletzten Daniel Ginczek.

Am Sonntag gegen Hull City will Gentner aber wieder in die Mannschaft zurückkehren. Als Lenker und Leader. Das ist sein Anspruch. Auch, wenn ihm von außen immer mal wieder die Führungsqualitäten abgesprochen werden. Doch Veh sieht in Gentner mehr als einen Mitläufer – und verweist auf den typisch deutschen Reflex, die Leitwölfe anzugreifen, wenn es für ein Team kritisch wird. „Aber vielleicht fehlt es ihnen dann nur an den entsprechenden Mitspielern, um selbst gut zu sein“, sagt Veh.

Ein interessanter Ansatz, den der Teamplayer Gentner so wohl auch nicht formulieren würde. Zumindest bis jetzt nicht. Denn aus dem stillen Anführer soll ja der Kapitän mit der klaren Kante werden.