Christian Gentner ist und bleibt der Kapitän einer Mannschaft, die sich noch finden muss. Die Tour durch die zweite Liga dürfte seine härteste Prüfung werden.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Zweite Liga. Daran muss sich Christian Gentner immer noch gewöhnen. Und das fällt selbst zweieinhalb Monate nach dem Abstieg schwer. Wie sollte es auch anders sein. Gentner ist deutlich nach dem Wiederaufstieg 1977 in Nürtingen geboren und sein ganzes Fußballerleben lang war der VfB Stuttgart erstklassig: mit den Profis, in der Jugendarbeit, und überhaupt. Doch jetzt, nach 341 Bundesliga-Einsätzen und 51 Europapokalspielen, steht der bald 31-jährige Mittelfeldspieler vor seiner vielleicht härtesten Prüfung – die Tour durch die zweite Liga.

 

„Das wird kein Spaziergang, das wird brutal“, sagt Gentner. Es sind die ersten Einschätzungen, die er seit dem Start in die Vorbereitungsphase vor fünf Wochen öffentlich gibt. Zeit hat er sich genommen. Viel nachgedacht hat er. Doch nun geht der Kapitän wieder voran. Denn zwei Sachen sind sicher. Erstens: Gentner wird wieder die Spielführerbinde beim VfB tragen. Darauf hat sich der neue Trainer Jos Luhukay nach einem Gespräch schnell festgelegt. Zudem gibt es auch aus dem Mannschaftskreis oder unter den Verantwortlichen niemanden, der an der Autorität und der Eignung der Nummer 20 zweifelt.

Der Chef läuft vorneweg

Zweitens: Gentner läuft in den Übungseinheiten auch ganz praktisch vorneweg. Was ihn zu einem Profi macht, wie ihn sich Trainer nur wünschen können. Vor allem machen ihn seine Fähigkeiten und seine Führungsqualitäten aber zu einer verlässlichen Größe. Auf dem Platz, weil er in der neuen Konstellation im Mittelfeld gemeinsam mit Alexandru Maxim das Stuttgarter Spiel bestimmen soll. Außerhalb des Platzes, weil er der letzte Mohikaner aus der obersten Ebene der alten Mannschaftshierarchie ist.

Georg Niedermeier, Martin Harnik und Serey Dié, die in der vergangenen Saison noch zum Mannschaftsrat gehörten, sind weg. Ebenso Daniel Schwaab, der als Führungsspieler galt. Dagegen ist Florian Klein zwar noch da, doch aus seinem Sitz im Mannschaftsrat ließ sich schon unter dem Ex-Coach Jürgen Kramny kein Anspruch auf einen Platz in der Anfangself ableiten.

Ein neues Team muss sich finden

Nun muss sich also nicht nur sportlich ein neues Team finden, sondern gleichzeitig muss sich eine neue Machtstruktur herausbilden. Weshalb Luhukay rasch eine erste Mittelachse konstruiert hat. Mit Mitch Langerak im Tor und Simon Terodde im Angriff, dazwischen Gentner und Maxim – der schwäbische Alleskönner und der rumänische Techniker.

Nur ein Abwehrchef ist noch nicht gefunden. Timo Baumgartl bringt das Talent mit, Marcin Kaminski die Erfahrung. Aber noch hat sich kein Innenverteidiger als der große Stabilisator entpuppt. Vielleicht hofft Gentner deshalb auf die Qualitäten eines Hajime Hosogai. „Ich kenne ihn als unangenehmen Gegenspieler und bin froh, ihn nun in der eigenen Mannschaft zu haben“, sagt Gentner. Auch, weil sich der japanische Zugang vor der Abwehr als der Mann offenbaren könnte, der die gesamte Defensive festigt.

Dié ist Vergangenheit

Wie Serey Dié in der Vergangenheit. Wenig Anlaufzeit, große Wirkung. „Aber auch Simon Terodde bringt sich persönlich schon sehr gut in die Mannschaft ein“, sagt Gentner, der zudem Maxim in einer anderen Rolle als bisher sieht. Vom Ergänzungsspieler mit genialen Momenten zum Stammspieler mit Vorbildcharakter. Denn auch an der neuen Nummer zehn sollen sich die jungen VfB-Spieler orientieren.

Der Fixpunkt im Stuttgarter Kosmos ist und bleibt jedoch Gentner. „Nein“, sagt er, „ich habe mir nicht überlegt, die Kapitänsbinde abzugeben“. Obwohl ihn der Sturz in die zweite Liga sicher so sehr getroffen hat wie keinen anderen Spieler.

Doch Gentner hat nicht nur den tiefen Frust verspürt, sondern auch die enorme Verantwortung seinem Verein gegenüber. Mit 14 Jahren kam er zum VfB und er hat schwer damit zu kämpfen gehabt, dass der Abstieg mit seinem Namen verbunden ist. Nun soll der Aufstieg mit seinem Namen verbunden werden. „Nicht als Mitläufer“, wie er sagt. Sondern als Anführer.