Beim 2:4 am vergangenen Sonntag gegen Hannover hat der VfB ein Heimspiel nach einer 2:0-Führung noch verloren – wie zuvor erst einmal in seiner Bundesligageschichte.

Stuttgart - Im Sommer wird die Bundesliga 50 Jahre alt. Der VfB Stuttgart ist seit der Gründung 1963 immer dabei, nur von 1975 bis 1977 nicht, aber so ein Heimspiel wie am vergangenen Sonntag gegen Hannover 96 hat es in seiner gesamten Geschichte zuvor erst ein einziges Mal gegeben: am 3. Dezember 1994, als die Mannschaft gegen Borussia Mönchengladbach eine Zweitoreführung ebenfalls noch aus der Hand gab und am Ende auch mit 2:4 unterlag. Sonst hat der VfB in 801 Heimspielen und in fast 48 Bundesligajahren noch nie verloren, wenn er einen solchen Vorsprung hatte. Das zeigt die historische Dimension des Einbruchs gegen Hannover.

 

Die Partie gegen die Niedersachsen steht für die Gegenwart. Wie es jetzt beim VfB weitergeht, ist ungewiss, doch jeder im Club wird hoffen – nicht so wie nach der Pleite im Dezember 1994 gegen Mönchengladbach. Denn das war damals der Auftakt von turbulenten Wochen und Monaten.

Historische Doppelentlassung

Die Entwicklung führte letztlich zu dem Paukenschlag mit einer im deutschen Fußball bis dahin einmaligen Doppelentlassung. Sowohl der Trainer Jürgen Röber als auch der Manager Dieter Hoeneß mussten nach dem 1:3 am 21. April 1995 beim Karlsruher SC gehen. Übergangsweise übernahm Jürgen Sundermann das Kommando auf der Bank. Es war eine Saison, die den VfB fast in die zweite Liga geschleudert hätte. Am Ende rettete er sich gerade so auf Rang zwölf. Und was passiert heute?

Auf jeden Fall war der 3. Dezember 1994 ein ähnlich trüber Herbsttag wie der 11. November 2012. Vor dem Spiel gegen Mönchengladbach belegte der VfB den zehnten Tabellenplatz – genauso wie am Sonntag vor dem Anpfiff gegen Hannover. Damals wie heute hätte er mit einem Sieg den Anschluss an die Spitzengruppe herstellen können. Damals wie heute funktionierte zunächst alles perfekt. Und damals wie heute herrschte später nur noch Frust.

So weit die Fakten. Dieter Hoeneß erinnert sich sehr ungern an die Saison 1994/95. „Auf gut deutsch ausgedrückt lief es für uns einfach beschissen“, sagt er – ein Urteil, dem sich Jürgen Röber vorbehaltlos anschließen kann. Er macht zwar gerade Urlaub auf den Malediven, aber das Stichwort 3. Dezember 1994 genügt, um ihn sofort zurück in die alte Zeit nach Stuttgart zu versetzen. „Nicht nur das Spiel gegen die Borussia war extrem unglücklich, sondern auch die Phase danach“, sagt Röber.

Berthold: „Wir hatten ebenfalls einen nicht so tollen Kader“

Dann erzählt er ein bisschen. Zum Beispiel, dass er viel Ärger mit dem damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder gehabt habe. Dabei sei es vor allem um einen Streitpunkt gegangen. „Er verlangte von mir, dass Jochen Rücker mein Co-Trainer wird, doch ich hatte in Bernd Storck schon einen Assistenten und lehnte das ab“, sagt Röber. So blieb der von Mayer-Vorfelder unterstützte Rücker zwar nur Torwarttrainer, aber Röber hatte bald keinen Job mehr.

Thomas Berthold war am 3. Dezember 1994 der Kapitän des VfB. Zuletzt gegen Hannover saß er auch wieder im Stadion. „Ich sehe durchaus Parallelen zwischen damals und heute“, sagt Berthold, „auch damals war mit dem VfB nicht viel los. Wir hatten ebenfalls einen nicht so tollen und sehr knapp besetzten Kader.“

Zu diesem Aufgebot gehörte Fredi Bobic, der sogar bei beiden Partien eine aktive Rolle spielte. Am 3. Dezember 1994 erzielte er als Stürmer den Führungstreffer gegen Mönchengladbach. Jetzt muss er als Manager mit dafür sorgen, dass sich die Geschichte nicht noch einmal wiederholt.