Zwei Punkte trennen den VfB Stuttgart vor dem Gastspiel in Hannover von Mitaufsteiger 96. Doch die beiden Clubs unterscheidet noch mehr.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Als sich der VfB Stuttgart in der vergangenen Saison durch die Fußballfelder der zweiten Liga ackerte, da wurde an Stammtischen und auch in Spielerkreisen gerne eine Hypothese ausgebreitet. Der gute alte VfB werde sich in der Bundesliga schon wieder leichter tun. Spielerisch – und überhaupt. Regen Anklang fand diese Annahme. Und das Schöne an ihr war nicht nur, dass sich alle rosigere Zeiten als in Aue einreden konnten, sondern: Diese Behauptung ließ sich (damals noch) nicht widerlegen.

 

Doch zurück in der Bundesliga (und der Realität) zeigt sich zweierlei. Erstens: Diesen guten alten VfB gibt es nicht mehr. Im Grunde seit Jahren nicht, und jetzt steckt der Club mitten in dem Prozess, sich und seinen Fußball zu erneuern. Zweitens: Dem Stuttgarter Spiel haftet nichts Leichtes an. Die Elf von Trainer Hannes Wolf muss sich ihre Siege weiter schwer erarbeiten.

Hannover 96 überrascht zu Saisonbeginn

„Für uns bleibt jedes Spiel eng“, sagt Wolf. Weil der Weg zum Klassenverbleib einer Schlaglochpiste gleicht – und nicht einer fein ausgebauten Autobahn. Das gilt gleichermaßen für Hannover 96, obwohl beide Aufsteiger in der Branche nicht als natürliche Abstiegskandidaten wahrgenommen werden.

Nur: Zu Saisonbeginn schien es so, als müssten die Niedersachsen nur lässig Gas geben – und schon lief es. Zwei 1:0-Siege zum Auftakt, Tabellenplatz zwei nach dem vierten Spieltag, die erste Saisonniederlage erst Wochen später bei Borussia Mönchengladbach. Das Team von Trainer André Breitenreiter übernahm schnell die Rolle, die auch der VfB gerne besetzt hätte: die des kessen Aufsteigers, der mit Überraschungsergebnissen aufhorchen lässt.

Ein Imagegewinn ist das. Zweifellos. Doch den VfB-Manager Michael Reschke trieb anfangs vielmehr die Sorge um, dass der Rivale schon viel mehr Punkte hatte. Vor dem direkten Aufeinandertreffen der beiden Traditionsvereine an diesem Freitag (20.30 Uhr) scheint sich der Trend aber zu drehen: Die Stuttgarter kommen mit dem Schwung eines Erfolgs über Borussia Dortmund in die HDI-Arena, und die Gastgeber kämpfen gegen die Enttäuschung an, zuletzt gleich zweimal verloren zu haben.

Der VfB bietet Zweckfußball

Zwei Punkte trennen die beiden Clubs noch, so dass der VfB den Hannoveranern nun den Rang ablaufen kann. „Der Sieg gegen den BVB bestärkt uns“, sagt Wolf, „aber wir dürfen jetzt nicht glauben, den Schlüssel zum Erfolg gefunden zu haben.“ Die Gefahr, dass sich das Team überschätzt, sieht der Trainer jedoch nicht, denn der VfB hat sich mit all seinen Möglichkeiten und all seinen Limitierungen einem intensiven Zweckfußball verschrieben.

Defensiv ist dieser angelegt, aber nicht destruktiv. Noch immer geht es den Stuttgartern darum, ein Spiel zu gestalten – nicht, es zu verhindern. Aber noch immer steht auch die Null auf fremden Plätzen. Bei sechs Versuchen, was die Stuttgarter in der Auswärtstabelle punktlos hinter den 1. FC Köln rutschen lässt. Wobei das absolute Schlusslicht mit insgesamt erst zwei Zählern fast schon vergessen hat, wie es sich anfühlt, eine Ligapartie zu gewinnen.

„Die Null liegt mir aber nicht auf der Seele. Das ist nicht mein Thema“, sagt Wolf, „da der Blick auf diese Bilanz der Mannschaft nicht hilft.“ Der Coach beschäftigt sich vielmehr damit, wie es die Mannschaft schaffen kann, die Debatten über diese vermaledeite Auswärtsschwäche auszublenden und den Fokus auf die Chance zu richten, es in Hannover oder gleich danach bei Werder Bremen besser machen zu können.

Mehr Mumm fordern nun die einen. Weniger Fehler verlangt der Trainer, da er die Frage, mit wie viel Mut die Stuttgarter auswärts auftreten, nicht an der Anzahl der vermeintlichen Defensivspieler in seiner Anfangself festmacht. Fünf Verteidiger plus zwei Mittelfeldspieler davor sind es in der Regel. Nominell. Doch dann entwickelten die Spiele ihre eigene Dynamik. „Ich glaube nicht, dass wir in Frankfurt oder Hamburg verloren haben, weil wir mit zu wenig Mut gespielt haben“, sagt Wolf.

Schwäbisches Kontrastprogramm

In Frankfurt war es vielleicht sogar zu viel Risiko, das den VfB erst die Kontrolle über das Geschehen und in letzter Sekunde das Spiel verlieren ließ. Und grundsätzlich geht der Trainer eine Auswärtsaufgabe ja gar nicht anders an als eine Heimpartie. Dennoch glänzt in der Mercedes-Benz-Arena die Bilanz. 16 Punkte, so viele wie der FC Bayern in der Münchner Allianz-Arena.

Deutlicher könnte das schwäbische Kontrastprogramm kaum ausfallen. „Für uns ist Hannover aber genauso wichtig wie Dortmund“, sagt Wolf und stellt seine Mannschaft auf einen harten Kampf ein. Denn die 96er agieren sehr körperbetont. „Sie haben auch die Spieler, die Zweikämpfe lieben“, sagt Wolf – und dem VfB nicht liegen? In Hannover bezeichnen sie den VfB jedenfalls als „Lieblingsgegner“, weil sie so oft gewinnen wie gegen keinen anderen Konkurrenten. Zweimal unterlagen die Stuttgarter zuletzt in der zweiten Liga. Im Dezember 2016 setzte es gegen die Niedersachsen auch die letzte Heimniederlage. Aber nun im November 2017 soll es für den VfB in Hannover zum ersten Auswärtserfolg in dieser Erstligasaison reichen.