Durch den 2:1-Sieg in Mönchengladbach hat der VfB die Pleite in Hannover korrigiert. Im mentalen Bereich sieht der Trainer Bruno Labbadia den Schlüssel zum Erfolg. Unklar bleibt, wohin sich der Verein orientieren soll.

Stuttgart - Die letzte Meinungsverschiedenheit legt William Kvist auf sehr elegante Weise zu den Akten. So wortreich haben sich der Däne und sein VfB-Mannschaftskollege Martin Harnik zuvor in den Schlussminuten angefaucht, dass man schon fürchtete, gleich fliegen auch noch die Fäuste. Nun jedoch, da der 2:1-Sieg bei Borussia Mönchengladbach feststeht, will Kvist von einer inhaltlichen Auseinandersetzung nichts mehr wissen: „Martin hat Österreichisch gesprochen, ich Dänisch – also haben wir uns nicht verstanden.“

 

Rundum harmonisch dürfte folglich die Stimmung im Mannschaftsbus sein, der sich wenig später auf die Rückreise in den Süden begibt. Frohgemut tippen in den hinteren Reihen Christian Gentner und Sven Ulreich Grußbotschaften an ihre jeweiligen Facebook-Gemeinden in die Handys; und vorne sitzt Bruno Labbadia und erweckt den Anschein eines Trainers, der mit sich und der Fußballwelt im Reinen ist. „Es freut mich unheimlich, dass wir diese Reaktion gezeigt haben“, sagt der VfB-Coach: „Das hat uns gutgetan.“

Groß ist im Stuttgarter Lager die Erleichterung über den Auswärtssieg in Gladbach, nachdem die Bestürzung über die 2:4-Heimniederlage gegen Hannover in der Woche zuvor fast noch größer war. Der Manager Fredi Bobic sieht die Mannschaft nun wieder in der Spur, ihm hat gefallen, wie sie in Gladbach auftrat – und das habe „viel mit Psychologie“ zu tun gehabt.

Der VfB mit frischem Mut nach der Blamage gegen 96

Als Hobbypsychologe jedenfalls betätigte sich Bruno Labbadia im Anschluss an die Hannover-Pleite, um größere Selbstzweifel unter seinen Spielern erst gar nicht aufkommen zu lassen. Als das Team nach den Länderspielreisen vergangenen Donnerstag wieder vollzählig war, zeigte der Trainer seinen Spielern in der Videoanalyse zwar auch die Fehlerquellen auf, legte den Schwerpunkt aber auf jene Szenen, „in denen wir alles richtig gemacht haben“. Und so war nicht nur Martin Harnik „sehr überrascht“ zu sehen, dass Hannover gar nicht so stark gewesen sei, wie er den Gegner in Erinnerung gehabt habe, „sondern dass es allein an uns lag, dass wir verloren haben“.

Mit frischem Mut machte sich der VfB am Samstag an die neue Aufgabe – und siehe da: sie präsentierte sich wieder als kompakte und hochkonzentrierte Einheit. Unmittelbar nach der Gladbacher Führung schlug der VfB zurück, wodurch „Hektik oder Verzweiflung erst gar nicht entstehen konnten“ (Christian Gentner). Und sie ließ sich nicht beirren und kam noch zum Siegtreffer, nachdem es zuvor statt eines möglichen Elfmeters die Gelbe Karte für Ibrahima Traoré wegen einer angeblichen Schwalbe gegeben hatte. „Es ist genau das eingetreten, was wir uns gewünscht hatten“, sagt Bruno Labbadia.

Nach oben orientieren oder nach unten schauen?

Dank der drei Punkte in Gladbach fiel es den Verantwortlichen dann auch leicht, die Pleite gegen Hannover endgültig psychologisch umzudeuten. Nur eine „doofe Niederlage“ (Labbadia) sei es gewesen, ein „kleiner Rückschlag, wie er immer mal vorkommt“ (Bobic), der aber nichts am grundsätzlichen Aufwärtstrend ändere. Schließlich habe der VfB in den vergangenen sieben Bundesligaspielen nur einmal verloren.

Offen bleibt dennoch auch weiterhin die Frage, ob sich der VfB nun nach oben orientieren darf oder lieber nach unten schauen sollte. Die Stuttgarter liegen inmitten eines breiten Mittelfelds, das von Platz sechs bis Platz 16 reicht und in dem sich die einzelnen Teams noch immer nicht recht sortiert haben. „Mit einer kleinen Serie kannst du von etwas ganz Schönem träumen“, sagt Bobic – und weiß gleichzeitig, dass auch Albträume nicht ausgeschlossen sind, wenn zwei, drei Spiele verloren gehen.

Ganz offensichtlich ist auch in dieser Frage die Psychologie gefordert. Als zweifelnder Schwabe, für den das Glas eher halb leer ist, geht Gentner die Sache lieber zurückhaltend an und gibt dieses Ziel aus: „Bis Weihnachten müssen wir schauen, dass wir den Abstand nach unten vergrößern. Dann spielt es sich leichter, weil dann der Druck nicht mehr so zu spüren ist.“ Martin Harnik hingegen, der kampfeslustige Stürmer mit den steirischen Wurzeln, schaut lieber nach oben und verkündet keck: „Wir treten auf der Stelle und sollten zusehen, dass wir möglichst schnell aus dem grauen Mittelmaß rauskommen.“

So weit will Fredi Bobic noch gar nicht blicken, denn irgendwo, findet der VfB-Manager, stößt auch die Psychologie an ihre Grenzen. „Unsere Devise lautet: wir denken nur von Spiel zu Spiel.“