Der VfB-Profi Shinji Okazaki ist für ein Benefizspiel zugunsten der Opfer der Erdbeben- und Atomreaktorkatastrophe nach Japan gereist.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Weil rund um den havarierten Atommeiler längst ein 20 Kilometer breiter Sperrgürtel errichtet worden ist, müssen die Kinder aus der japanischen Stadt Fukushima auf andere Fußballplätze in der gleichnamigen Präfektur ausweichen. Aber der Ball rollt. Das haben die Nachwuchskicker aus dem Norden des Kaiserreichs dem VfB-Stürmer Shinji Okazaki auf der Gästeseite seines Internettagebuchs mitgeteilt, das im Fachjargon Blog genannt wird.

 

"Ich bin nur ein Fußballer. Das Einzige, das ich für meine Landsleute tun kann, ist gut zu spielen, um auch den Fans zu Hause in Japan Kraft zu geben", sagt Shinji Okazaki, der eine halbe Stunde vor der Abschlusseinheit am Tag vor dem Bremen-Spiel in schwarzen Trainingsklamotten im Besprechungsraum des VfB sitzt. Erst am späten Mittwochabend ist Okazaki von seiner Reise in die Heimat zurückgekehrt, wo er mit dem Nationalteam in Osaka ein Benefizspiel gegen eine Auswahl der japanischen J-League zugunsten der Opfer der Erdbeben-, Tsunami- und Atomreaktorkatastrophe bestritten hat.

Japanische Journalisten reisen nach

"Es gibt in Japan zurzeit so viele schlechte Nachrichten, dass wir Spieler alle froh waren, einmal positive Schlagzeilen machen zu können", erzählt Okazaki, der beim 2:1-Sieg der Nationalelf ein Tor besteuern konnte. Den Treffer zum 2:0 erzielte der 1,74 Meter kleine Angreifer mit einem technisch-feinen Heber über den gegnerischen Torhüter.

"Ich hoffe, dass ich auch bald mein erstes Tor für den VfB erziele", sagt Okazaki, "die Fans in der Heimat warten ebenfalls darauf." Wie groß die Popularität der Fußball-Nationalspieler in Japan ist, lässt sich von Deutschland aus nur erahnen. Doch allein zu seinen Bundesligaauftritten reisen Okazaki stets fünf bis zehn japanische Journalisten nach. Als der 24-Jährige beim VfB vorgestellt wurden, übertrugen allein fünf Fernsehteams seinen ersten Auftritt nach Nippon.

Okazaki ist nicht unmittelbar betroffen

Nach der Erdbebenkatastrophe versucht man in Japan, so gut es geht zur Normalität zurückzufinden - und der Fußball soll dabei helfen. "Natürlich sind wir alle traurig und fühlen mit den Menschen in Nordjapan mit", sagt Okazaki, der am Benefizspielort Osaka im Süden, das mit 17,5 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt des Landes ist, wenig von den Problemen mitbekommen hat. "Die Menschen lassen sich kaum etwas anmerken", sagt der VfB-Profi, der Geld gespendet hat, "wie es in ihnen aussieht, ist eine andere Frage."

Unmittelbar ist Okazaki nicht von dem Erdbeben betroffen. Seine Familie, die Ehefrau Yumemi und die beiden kleinen Söhne Toya, 2, und Kenshi, 1, hat die Tragödie unbeschadet überstanden. Die drei leben derzeit noch in der Präfektur Shizuoka, das eine Zugstunde westlich von Tokio liegt. Hier hat Okazaki bis zum Dezember, als in Japan die Saison zu Ende ging, beim Proficlub Shimizu S-Pulse gespielt. "Meine Frau hat mich nach dem Beben gleich angerufen", erzählt Okazaki, "aber das Ausmaß wurde auch ihr erst später klar. Schließlich sind wir Japaner Erdbeben gewohnt."

Der Fußballprofi hat sich eingelebt

Okazaki selbst hat in der Heimat bereits zwei schwere Beben mitgemacht, unter anderem das von Kobe im Jahr 1995. Hier leben seine Eltern heute noch. "Ich bin froh, dass es allen gut geht. Alle sind wohlauf und haben zu essen", sagt der Stürmer, was vor allem für eine Familie wie seine mit zwei Kleinkindern derzeit nicht überall in Japan selbstverständlich ist. "In Tokio dürfen Babys wegen der erhöhten Radioaktivität kein Leitungswasser zu trinken bekommen", erzählt Okazaki, der seine Familie am 10. April endlich in Stuttgart begrüßen darf. Schließlich sind die Pässe für die Kinder jetzt da, so dass dem Umzug nach Deutschland nichts mehr im Weg steht.

Bis Frau und Kinder in Stuttgart ankommen, muss Shinji Okazaki ("Beim Fußball kann ich die Ereignisse in meiner Heimat ausblenden") die Tücken des deutschen Alltag allein bewältigen. Das ist nicht immer einfach, auch wenn sich der drahtige Fußballprofi gut eingelebt hat. So haben Unbekannte im Rahmen einer Einbruchsserie in Stuttgart auch seinen Mercedes aufgehebelt, als Okazaki in Japan war. Doch angesichts der Probleme in der Heimat, findet der Fußballer, sei das eine Bagatelle.