Robin Dutt soll den VfB Stuttgart in eine erfolgreiche Zukunft führen. Das soll ohne neue Spieler gehen – wie gut, das zeigt sich in einer Woche zum ersten Rückrundenspiel.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Lagos - Robin Dutt sucht die Nähe zur Mannschaft. Kein Training hat der neue Sportvorstand des VfB Stuttgart verpasst, immer wieder ist er auf dem Platz in Lagos Schritt für Schritt, Meter für Meter auf die Spieler zugegangen. Nie aufdringlich, aber eben doch präsent. Dutt schaut und hört dieser Tage an der Algarve viel zu, um zu erfahren, wie es im innersten Zirkel der Spieler zugeht. Wie das Trainerteam funktioniert. Und wie beide miteinander harmonieren. Sein Eindruck aus dem Trainingslager in Portugal? „Sehr gut. Es hat den Anschein, als könnte sich etwas entwickeln. Diese gezeigte Arbeitsauffassung und Leidenschaft muss sich aber erst einmal im Alltag verfestigen“, sagt Dutt.

 

Das klingt vorsichtig optimistisch – und ist auch genau so gemeint. Dutt hat seine Worte unter Kontrolle. Eine andere Einschätzung als diese positiv formulierte würde nach nur zweieinhalb Wochen im Amt auch gleich zu Turbulenzen führen. Dutt weiß das, er kennt das Fußballgeschäft und seine Aufgeregtheiten. Deshalb achtet er darauf, in der Öffentlichkeit nicht zu viel zu reden – mit den Spielern, Trainern und Vereinsmitarbeitern aber nicht zu wenig. Denn genauso, wie der Sportchef sein Arbeitsumfeld beobachtet, steht im Gegenzug natürlich auch er selbst unter strenger Beobachtung.

Und Dutts aktuelle Gemütsverfassung nehmen sie beim VfB als tiefenentspannt wahr. Eine demonstrative Gelassenheit und Sachlichkeit, die dem Bundesligisten in dieser sportlich wie atmosphärisch schwierigen Phase guttut. So verfällt Dutt erst einmal nicht in Aktionismus, wenn es um die momentane Personalsituation geht. „Ich habe jetzt ein relativ detailliertes Bild von der Mannschaft“, sagt Dutt, „und ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass die Spieler, die auf dem Markt sind, uns im Augenblick nicht wirklich weiterhelfen.“

Die Suche nach einem großen Plan

Ein cleverer Satz, weil er ja einerseits einen Vertrauensvorschuss für die eigenen Profis bedeutet, andererseits schließt er Verstärkungen in der Wintertransferperiode nicht ganz aus. Und was die Sache für den Sportvorstand erleichtert: dass er in Huub Stevens einen Trainer neben sich weiß, der ihn an der Mercedesstraße nicht gleich mit dem Arbeitsauftrag begrüßt hat, ihm schnell einen Innen- sowie einen Außenverteidiger zu besorgen.

Beides könnte der VfB im Abstiegskampf gebrauchen. Vor allem brauchen sie jedoch einen kurz- sowie einen langfristigen Plan – einen, der sie aus dem Tabellenkeller führt und einen, der die Weichen in eine bessere Zukunft stellt. Eine Herausforderung, die für Dutt mit einer anderen Sicht der Dinge einhergeht. Einst Cheftrainer, jetzt Chefstratege. „Ich muss nun nicht mehr schauen, ob die Übungsformen klappen, sondern etwas übergeordnet, wie sich die Spieler präsentieren“, sagt Dutt – und da schade der Trainerblick manchmal gar nicht.

In die konkreten Trainerbelange mischt sich Dutt, der an diesem Samstag 50 Jahre alt wird, jedoch nicht ein. Auch wenn er sich im ständigen Austausch mit Stevens befindet. So führte der Coach die Unterredung mit Moritz Leitner nach einer Auseinandersetzung zwischen beiden auf dem Trainingsplatz ohne den Sportvorstand als Moderator. „Dieses Gespräch war auf Trainerebene zu führen. Jetzt ist alles geklärt“, sagt Dutt, der nicht disziplinarisch, sondern eher persönlichkeitsbildend wirken will. Genau wie Stevens. Verbindend ist dabei, dass sie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Einen, der sowohl die fußballerische Entwicklung der Spieler berücksichtigt als auch die persönliche. „Huub Stevens geht sehr differenziert vor, auf dem Platz, aber ebenso außerhalb“, sagt Dutt.

Die Fragezeichen vor dem Gladbach-Spiel

Von Spieler zu Spieler, von Mensch zu Mensch und letztlich von Spiel zu Spiel. Das erste davon am Samstag, 31. Januar, gegen Borussia Mönchengladbach. Am Ergebnis wird dann vieles von dem, was im Trainingslager erarbeitet wurde, gemessen werden. Auch das kennt Dutt aus seiner Trainerzeit nur zu gut: 18 Bundesligisten, die Optimismus aus ihrer Vorbereitung ziehen – und 18 Fragezeichen, weil jeden Club die Ungewissheit nach einer Vorbereitung plagt, wie es wohl wirklich laufen wird.

Es wird also spannend sein zu verfolgen, wie Dutt in den VfB hineinwirkt, wie er die Mannschaft umbaut, das Scouting strukturiert, die Jugend organisiert und schließlich alles miteinander verzahnt – bei vollem Bundesligabetrieb und vielleicht sinkendem Personaletat. Eine Herkulesaufgabe, wie es Dutt selbst nennt. Da kann es nicht schaden, gelegentlich auch etwas Abstand vom VfB nehmen. Zwischen den Trainingseinheiten geht Dutt gerne joggen.