Bei der 0:2-Niederlage gegen Gladbach bekommt der VfB vor Augen geführt, wie weit das Team von seinen Zielen entfernt ist. Die Zweifel an der Qualität werden immer größer.
Stuttgart - Moritz Leitner hat es sehr eilig, in den Feierabend zu entschwinden. Auf direktem Wege verlässt er am Freitagabend schon kurz nach dem Schlusspfiff das Stadion und lässt sich von nichts und niemandem aufhalten. Die beige Wollmütze, die Leitner tief ins Gesicht gezogen hat, kann eines nicht verbergen: den tiefen Frust über seine Auswechslung zur Pause, die 0:2-Niederlage gegen Mönchengladbach und darüber, dass auch sonst vieles anders läuft, als es sich der Mittelfeldspieler bei seinem Wechsel von Borussia Dortmund zum VfB vorgestellt hat.
Mit Leitner und den anderen sechs Neuzugängen, die im Sommer nach Stuttgart gekommen sind, sollten bessere, erfolgreichere Zeiten anbrechen. Geändert jedoch hat sich wenig – von sechs Heimspielen hat der VfB nur eines gewonnen (6:2 gegen Hoffenheim). Der Verein steckt im grauen Mittelmaß fest, ein gutes Stück entfernt vom eigenen Anspruch, um die internationalen Plätze zu konkurrieren.
Noch 2011 wäre Gladbach fast abgestiegen
Äußerst schmerzhaft bekamen die Stuttgarter am Freitag vor Augen geführt, dass nicht nur Bayern und Dortmund enteilt sind, sondern inzwischen auch Mönchengladbach – jene Mannschaft also, die 2011 nur ganz knapp dem Abstieg in die zweite Liga entkommen war. Unter der Führung von Lucien Favre, einem klugen Trainer, und Max Eberl, einem offenkundig weitsichtigen Manager, beweist die Borussia seither, dass es auch mit begrenzten finanziellen Mitteln möglich ist, gleichermaßen attraktiven wie erfolgreichen Fußball zu spielen. Es ist das Resultat einer Vereinspolitik, in der sich die Auswahl der Neuzugänge wie Max Kruse, Raffael und Christoph Kramer an einer klaren Spielidee orientiert. Dem VfB waren die Gladbacher zumindest am Freitagabend in allen Belangen überlegen und hätten leicht noch höher gewinnen können.
Lucien Favre war hinterher freundlich genug anzumerken, dass sein Team unter der Woche nur fünf, der VfB hingegen 13 Nationalspieler habe abstellen müssen. Die Reisestrapazen mögen ein Grund für die fehlende Frische der Stuttgarter gewesen sein. Als hinreichende Erklärung für die gewaltige spielerische und taktische Unterlegenheit taugen sie jedoch kaum. Vielmehr fragt man sich, ob der VfB mit seinem bunt zusammengewürfelten Ensemble an Auswahlspielern aus aller Welt überhaupt in der Lage ist, dauerhaft so sicher und souverän in der Spieleröffnung und so mutig und variabel im Angriffsspiel aufzutreten, wie es die Gladbacher vorgemacht haben.
Der VfB würde gerne wie Gladbach spielen
„Wir haben ähnliche Vorstellungen vom Fußball“, sagt der Kapitän Christian Gentner, „aber wir können es nicht umsetzen, weil wir noch in der Entwicklungsphase sind. Das ist ein Prozess, der länger dauert.“ So sieht es auch der Manager Fredi Bobic, der „sehr weit davon entfernt ist, irgendetwas infrage zu stellen“. Die Tagesform habe gegen Gladbach den Ausschlag gegeben, die Niederlage ändere nichts daran, dass die Mannschaft auch weiterhin „auf einem guten Weg“ sei.
Schon seit langer Zeit wird beim VfB dieser Weg beschworen und um Geduld geworben. Das war unter Bruno Labbadia nicht anders als unter Thomas Schneider, dem nach dem Gladbach-Spiel nichts anderes übrig blieb, als wieder darauf zu verweisen, dass Rückschläge einkalkuliert seien. Die Stimmung in der Mannschaft mag besser geworden sein, die Stabilität größer; an guten Tagen kann der VfB in Braunschweig oder Freiburg gewinnen, womöglich sogar auf Schalke am nächsten Samstag, weil sich die Stuttgarter auswärts viel leichter tun. Dass der Weg dauerhaft nach oben führen könnte, daran allerdings mehren sich die Zweifel mit jeder weiteren Pleite.
Die Frage nach den Neuzugängen
„Entwicklung braucht Kontinuität“, sagt Schneider. Nach dem Trainerwechsel jedoch ist die Entwicklung offenbar wieder bei null losgegangen, „ein Großteil ist jetzt ganz anders“, sagt Christian Gentner. Und wenn Fredi Bobic nun davon spricht, dass künftige Neuzugänge zur Spielidee von Verein und Trainer passen müssen, dann fragt man sich: nach welchen Kriterien wurden neue Leute bisher ausgewählt?
Zumindest öffentlich mag sich Thomas Schneider über die Zusammenstellung der Mannschaft und die Qualität der einzelnen Spieler nicht beschweren. Er arbeite „total gern mit diesem Kader“, er sei „zuversichtlich, die Mannschaft dahin zu führen, wo wir hinwollen“. Nicht nur Timo Werner mache ihm viel Spaß, „es werden auch andere junge Spieler dazukommen“. Es ist das Prinzip Hoffnung, das beim VfB regiert – und wenig daran ändert, dass der Weg nach oben noch immer ein sehr weiter ist.