Auch dank Martin Harnik ist der VfB Stuttgart ins Achtelfinale des DFB-Pokals eingezogen. Der VfB-Stürmer erzielte beim 2:0 in Jena den Führungstreffer – und schwärmte anschließend von der archaischen Stimmung.

Jena - Martin Harnik hat es sehr genossen, einen ganzen Abend lang wüst beleidigt zu werden. Das Spalier pöbelnder Fans beim Weg vom Mannschaftsbus in die Umkleidekabine des Ernst-Abbe-Sportfeldes, die aufgeheizte Stimmung während des Spiels, die fliegenden Bierbecher danach – so etwas gefällt dem Fußballromantiker. „Es war ein klassischer Pokalabend, der sehr viel Spaß gemacht hat“, sagt der Stürmer des VfB Stuttgart nach dem 2:0-Sieg beim FC Carl-Zeiss Jena. Von „ehrlichem Fußball“, der „nicht so steril“ wie in der Bundesliga sei, „wo man vom Bus bis in die Kabine gefahren wird“, spricht Harnik noch, während in seinen Ohren die Abschiedsrufe des Publikums dröhnen: „Absteiger, Absteiger“, so werden die Stuttgarter aus dem Stadion gebrüllt.

 

Der Ernst der Lage hat den VfB also schon unmittelbar nach dem erfolgreichen Ausflug in die Fußballprovinz eingeholt. Doch hätte es auch ohne diesen dezenten Hinweis der Jena-Fans auf die großen Sorgen im Bundesligaalltag wenig Grund für überschäumenden Jubel gegeben. Die Stuttgarter boten beim Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals eine sehr karge Leistung, die nicht immer erkennen ließ, wer der Erst- und wer der Viertligist ist. Sie hatten viel Mühe mit den aufsässigen Thüringern und erfüllten gerade so ihre Pflicht. Der VfB-Trainer Alexander Zorniger war trotzdem zufrieden, was man gut verstehen kann, weil es in so einem Pokalspiel nichts zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren gibt. „Es ging um nichts anderes als das Weiterkommen“, sagt er, „da zählt allein das Ergebnis.“

Die Schwächen fallen diesmal nicht ins Gewicht

Es lässt sich tatsächlich wenig ableiten aus einem Pokalduell mit einem Amateurclub, weshalb sich Zorniger auch nicht lange mit den Schwächen seiner Mannschaft aufhalten will. Nicht mit den unübersehbaren Defiziten von Daniel Schwaab, dem einzigen Sechser, im Spielaufbau; und auch nicht mit den Fehlern von Toni Sunjic, der in der Innenverteidigung wieder einiges dafür tat, ein Gegentor zu verschulden. „Alle waren daran beteiligt, dass wir eine Runde weitergekommen sind“, sagt Zorniger, Ende der Durchsage.

Konkreter wird der Trainer immerhin, wenn es um Martin Harnik geht, den erklärten Freund des ehrlichen Fußballs, der mit einem Geistesblitz das wichtige 1:0 erzielt und damit die ganz große Brisanz frühzeitig aus dem Spiel genommen hat. Dass sich der Österreicher, der in Abwesenheit des verletzten Christian Gentner auch in Jena die Spielführerbinde trug, in der hektischen Schlussphase auch noch beherzt in jeden Zweikampf warf, das hat Zorniger fast noch besser gefallen: „Er hat die Truppe sehr gut geführt. Und das erwarte ich auch von einem Kapitän.“

Drei Spiele lang saß Harnik auf der Ersatzbank

So viel Zuspruch hat Harnik von seinem Trainer in dieser Saison noch nicht oft bekommen. Dass der Saisonauftakt so krachend danebenging, daran waren auch die schwankenden Leistungen des Stürmers schuld. In den ersten Spielen versemmelte er auf atemberaubende Weise beste Torchancen, wurde auf diese Weise zum Buhmann der Fans und überstrapazierte die Geduld des Trainers. Auf der Ersatzbank landete Harnik drei Spiele lang und kehrte danach nur in die Mannschaft zurück, weil Daniel Ginczek von einem Bandscheibenvorfall gestoppt wurde. Aus dem Reservisten wurde gleich der Kapitän.

Beim 3:4 in Leverkusen erzielte Harnik am vergangenen Samstag seinen ersten Saisontreffer, dem er nun das Tor in Jena folgen ließ. „Ich möchte es nicht verschreien“, sagt der 28-Jährige, „aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt wieder in Schwung komme.“ Die Sicherheit kehre zurück und das Selbstvertrauen. Das ist gut für den VfB – und auch gut für Harnik selbst, der auf diese Weise seinen Marktwert wieder erhöhen kann. Die Gespräche über eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags sind derzeit ausgesetzt. Ein Abschied aus Stuttgart ist jedoch wahrscheinlicher als ein weiterer Verbleib.

Regenerationstraining morgens um vier Uhr

Vorerst aber geht Harnik seiner Arbeit in Stuttgart nach, auch wenn sie noch so ungewöhnlich ist. Nach der Rückkehr aus Jena beorderte Alexander Zorniger seine Mannschaft nach vierstündiger Busfahrt noch einmal auf den Platz – zur Regenerationseinheit um vier Uhr morgens. „Ich wäre auch lieber gleich ins Bett gegangen“, sagt der Trainer, doch geht es am Sonntag (15.30 Uhr) bereits mit dem nächsten Bundesligaspiel gegen Darmstadt 98 weiter. „Und nicht alles, was Fußballspieler machen“, findet der VfB-Trainer, „muss immer nur Vergnügen sein.“