Vedad Ibisevic zeigt sich im VfB-Trainingslager in Portugal selbstkritisch und hofft nach einem schwierigen Jahr 2014 auf einen Neustart. Dafür braucht der Stürmer aber vor allem eines: Torerfolg.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Lagos - Vedad Ibisevic kennt dieses Gefühl. Diese Unzufriedenheit, die sich einschleicht, wenn der Ball einfach nicht ins Tor will, wenn immer ein paar Zentimeter fehlen, wenn stets noch ein Verteidigerbein dazwischengrätscht. Jeder Stürmer kennt das. Durststrecke wird das Phänomen im Fachjargon genannt – und bemessen wird sie in der Zeiteinheit „torlose Minuten".

 

Beim Fußballer des VfB Stuttgart hat aber zuletzt niemand die torlosen Minuten addiert. Denn um das Gefühl des Missmuts bei Ibisevic zu erfassen, muss man schon in größeren Zeiteinheiten rechnen. In Tagen, Wochen, Monaten. Seit dem 29. Januar 2014 (1:2 gegen den FC Bayern) hat der Bosnier nicht mehr in einem Pflichtspiel für den VfB getroffen. Gut, es lagen eine Sperre, eine WM, eine Sommerpause und eine Verletzungspause dazwischen. Doch für einen Stürmer ist das dennoch eine Ewigkeit. Erst recht für einen Stürmer wie Ibisevic, der sein Spiel über Tore definiert – und brummig wird, wenn sich sein Torkonto nicht erhöht.

Für einen Torjäger ist das ja auch eine gute Eigenschaft, diese Gier nach mehr. Die Energie muss nur in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Nicht wie zu Beginn des Trainingslagers im portugiesischen Lagos, als Ibisevic sich mit Martin Harnik in einem Trainingsspiel kabbelte, er seinem Kollegen sogar an die Gurgel wollte. „Da hat sicher auch eine Rolle gespielt, dass ich kurz zuvor mehrere Wochen verletzt war“, sagt der 30-Jährige.

Der schwere Stand bei den Fans

Ibisevic stand im vergangenen Oktober unmittelbar vor einem Ermüdungsbruch im rechten Fuß, hat seither nicht mehr gespielt und ist erst wieder zur Wintervorbereitung voll in das Mannschaftstraining eingestiegen. Nun spürt er zwar keine Schmerzen mehr, aber die Sorge, wieder auszufallen, spielt mit. „Es ist keine persönliche Sache zwischen Martin und mir“, sagt Ibisevic, „so etwas kann jeden Tag in jedem Training passieren.“

Und so gut diese Emotionalität auf dem Platz für sein Spiel und damit auch für das der VfB-Elf ist, so skeptisch wird sie mittlerweile von vielen Fans gesehen. „Das verstehe ich. An der Situation bin ich zum Teil auch selber schuld“, sagt der Angreifer. Denn seine Rote Karte im vergangenen Februar, als sich Ibisevic zu einer Tätlichkeit gegen den Augsburger Jan-Ingwer Callsen-Bracker hinreißen ließ, schadete nicht nur der Mannschaft im Abstiegskampf, sie brachte vor allem ihn selbst aus dem Rhythmus.

Das Problemjahr 2014

Mehr noch. Auch die interne Kritik wuchs, so dass sich Ibisevic mit Abwanderungsgedanken trug. Angebote lagen vor, doch am Ende eines Findungsprozesses verlängerte der Stürmer vorzeitig um ein Jahr bis 2017 beim VfB. Damit sollte auch die Torgarantie verlängert werden. Das dachte vor allem der Ex-Manager Fredi Bobic, ein vehementer Ibisevic-Fürsprecher. Der bosnische Nationalspieler verfügt auch noch immer über eine gute Quote: 82 Tore bei 195 Bundesligaeinsätzen, davon 33 Treffer in 79 Spielen für den VfB.

Das Jahr 2014 ist aus Stuttgarter Sicht dennoch eines zum Streichen. „Ein schwieriges Jahr“, sagt der frühere Hoffenheimer, dessen Karriere immer wechselvoll verlief. Doch nun kehrt langsam das gute Gefühl zurück, den Ball doch wieder im gegnerischen Tor unterbringen zu können. Die Bewegungen werden flüssiger, die Abschlüsse selbstverständlicher. Drei Treffer in drei Testspielen sind Ibisevic gelungen. Das gibt Selbstvertrauen und Sicherheit. „Ich habe zuletzt zwar nicht in der Bundesliga getroffen, aber in Länder- und Testspielen. Damit wusste ich immer, dass ich es noch kann“, sagt er.

Was zu beweisen wäre. Zunächst einmal gegenüber Huub Stevens. „Das er wieder Tore erzielt, tut ihm gut“, sagt der Trainer, der einen in der Bundesliga treffsicheren Ibisevic noch gar nicht erlebt hat. Denn als Stevens zum ersten Mal bei den Stuttgartern arbeitete, setzte er ihn nach dessen Fünfspielesperre zwar gleich mehrfach von Anfang ein – aber ohne Torerfolg. Anschließend saß Ibisevic auf der Bank. Jetzt hofft Vedad Ibisevic auf einen Neustart. Bei null Toren fängt der Stuttgarter Stürmer jedenfalls an.