Der VfB Stuttgart hat beim 2:1-Sieg in Heidenheim eine neue Stufe der Intensität und Emotionalität in seinem Spiel erreicht. Weshalb sich an dieser Einstellung beim Fußball-Zweitligisten nichts mehr ändern soll.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - 90 Sekunden. Mehr geht nicht, weil es die TV-Rechte einfach nicht erlauben. Ganz gleich, wie gut das Spiel auch war. Andreas Köstler weiß das nur zu gut. Aber der erfahrene Fernsehjournalist wusste nach dem Abpfiff in der Voith-Arena ebenso, dass es nahezu unmöglich werden würde, diese mitreißenden 90 Derbyminuten zwischen dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Heidenheim in einen Beitrag münden zu lassen, der nicht mehr als eineinhalb Minuten an Spielszenen zulässt – ohne dabei eine Reihe von packenden Szenen auszusparen.

 

Hier gibt es alle Informationen rund um die Partie 1. FC Heidenheim gegen den VfB Stuttgart.

Allein die Eckballserie der Gastgeber in der Schlussphase hätte ungeschnitten mehr an bewegten Bildern für den Nachbericht am Samstag geboten, als der Fernsehvertrag für den Landessender SWR in der zweiten Liga hergibt. Wuchtig anrennende Heidenheimer waren zu sehen, mutig sich dazwischen werfende Stuttgarter – und ein Torwart Mitch Langerak, der mit unfassbaren Reflexen immer noch ein Bein oder eine Hand an den Ball brachte.

Action ohne Ende war das. Doch nun ist die journalistische Aufarbeitung einer Fußballpartie immer auch die Reduzierung der Realität. Die Reporter müssen zusammenfassen und zuspitzen. Doch dieses Spiel hatte das nicht nötig. Es stand für sich selbst. Fußball pur – so wie ihn sich die Gründerväter einst im Mutterland England ersonnen hatten und wie man ihn sich heute noch mit verklärtem Blick auf die Insel vorstellt: Flutlicht, Regen, zwei leidenschaftliche Mannschaften. Dazu zwei Trainer, die ihren Teams vermittelt haben, die taktischen Fesseln zu lösen, ohne dabei die Struktur im eigenen Spiel zu verlieren.

Wolfs Handschrift wird deutlich

„Es war ein Fußballfest, bei dem das Adrenalin hochschießt“, sagt VfB-Coach Hannes Wolf, „die Mentalität war großartig. Klar, es war auch Glück dabei. Aber wenn wir uns nicht in die Schüsse werfen, hätten wir das zweite Gegentor auf jeden Fall kassiert.“ So stand am Ende ein begeisterndes 2:1, das mehr Wert sein könnte als drei Punkte. Denn die Begegnung auf der Ostalb hat gezeigt, dass sich ein Kulturwandel vollzieht. Dass die Stuttgarter nicht nur eine neue Emotionalität offenbart haben, sondern dass sie auch eine neue Stufe der Intensität in ihrem Spiel erreicht haben.

Ganz im Sinne des jungen Trainers, der sich auf kein System festlegen will, der sich auf keine spezielle Spielidee reduzieren lassen will – und bei dem schon die Frage aufgetaucht ist, für welchen Fußball er überhaupt steht. Nun kennt man die Antwort und kann sie an einem Spiel festmachen: Wolf steht für 100 000-Volt-Fußball. Und er will dafür stehen, dass diese Spannung in Stuttgart komplett einzieht. Bestes Beispiel zuletzt: Josip Brekalo. „Wir müssen schauen, dass wir sein Talent in unsere Intensität bekommen“, sagt der Coach und hat sich mit dem 18-Jährigen vor Freude fast überschlagen, als dieser seinen großen Moment mit dem Siegtor feierte.

Baumgartl lobt den Charakter der Mannschaft

Doch diese Einzelleistung wäre nichts gewesen ohne das sich anschließende gemeinschaftliche Verteidigen. „Das zeigt den Charakter der Mannschaft“, sagt Abwehrspieler Timo Baumgartl über den Teamgeist, der sich breit macht und den sich so mancher Fan bereits im Abstiegskampf des vergangenen Jahres gewünscht hätte. Vorbei. Nun läuft das Aufstiegsrennen und der Manager Jan Schindelmeiser sagt: „Diese Emotionalität ist ein großer Teil der Atmosphäre, die man braucht, um den großen Sprung zu schaffen.“

Doch das ist nur die eine Seite. Die andere beinhaltet das Spielerische, wie es in der ersten Hälfte überzeugend dargeboten wurde. „Wir waren aber auch nach der Pause öfters in der Heidenheimer Hälfte“, sagt Baumgartl. Und Wolf hatte sich eine solche Dominanz gegen die langen Kerls und Kämpfer des FCH-Trainers Frank Schmidt anfangs gar nicht vorstellen können.

Nun weiß der Trainer jedoch, dass sein Team weiter Fortschritte macht. Dass es sich auch nicht mehr so leicht aus den Latschen kippen lässt wie noch unmittelbar vor der Winterpause in Würzburg. Seither ist viel passiert. Vier Siege in vier Rückrundenspielen gab es, was das Selbstvertrauen stärkt, den Tabellenführer jedoch nicht in Sicherheit wiegen soll. „Wir freuen uns sehr über den Derbyerfolg, aber das verändert nichts an unserer Herangehensweise“, sagt Wolf mit Blick auf die nächste Aufgabe. Der 1. FC Kaiserslautern kommt am Sonntag (13.30 Uhr) in die Stadt. „80 Prozent an Leistung werden da nicht reichen, denn die Spiele in der zweiten Liga sind viel zu unberechenbar“, sagt Schindelmeiser.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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