Im aktuellen Kader des Bundestrainers Joachim Löw sind die schwäbischen Elemente vorherrschend. Ein Überblick über die Talente in der Deutschen Nationalmannschaft.

Stuttgart - Seit Wolfgang Dietrich (68) am 9. Oktober das Amt als Präsident des VfB Stuttgart übernommen hat, ist er öffentlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Dafür macht sich der Unternehmer aus Leonberg momentan hinter den Kulissen ein Bild über die Abläufe und Gegebenheiten in seinem Club. Auf einen Schwerpunkt hat er sich allerdings schon vor seiner Wahl festgelegt. „Wir müssen uns im Jugendbereich wieder verbessern“, sagte Dietrich.

 

Die Talentförderung war immer der Trumpf des VfB – und das Ergebnis spiegelt sich jetzt eindrucksvoll in dem Kader wider, den der Bundestrainer Joachim Löw für die Partie in der WM-Qualifikation am Freitag in San Marino und für den Test am Dienstag in Italien nominierte. Zum Aufgebot gehören gleich sechs Spieler, die durch die VfB-Schule gegangen sind. Sechs von 21, die Löw berufen hat – eine solche Bilanz kann kein anderer Verein vorweisen. „Das ist eine Auszeichnung für uns“, sagt der Stuttgarter Nachwuchschef Marc Kienle, der aber hinzufügt, dass jeder dieser sechs Spieler seinen eigenen Werdegang hat.

Die sechs Stuttgarter

Bernd Leno (24). Vor der Saison 2010/11 wurde dem Torwart erklärt, dass er eine faire Chance in dem Konkurrenzkampf mit Sven Ulreich erhält. Aber der Trainer Bruno Labbadia, der Manager Fredi Bobic und der Torwarttrainer Andreas Menger legten sich sofort auf Ulreich fest. Deshalb wurde Leno schnell für acht Millionen Euro von Bayer Leverkusen verpflichtet.

Joshua Kimmich (21). Wie Leno hatte auch er beim VfB keine Perspektive und erschien den Verantwortlichen um Bobic nicht einmal gut genug für die zweite Mannschaft. Deshalb wechselte Kimmich im Sommer 2013 direkt aus der A-Jugend auf Leihbasis zu RB Leipzig, wo er sich so rasant entwickelte, dass ihn zwei Jahre später der FC Bayern unter Vertrag genommen hat. Der VfB kassierte eine Ablöse von 8,5 Millionen Euro für sein Eigengewächs.

Sebastian Rudy (26). Im Gegensatz zu Leno und Kimmich ist ihm beim VfB der Sprung in die Bundesliga gelungen. 15 Spiele bestritt er da zwischen 2008 und 2010, Danach ist Rudy in Stuttgart aber nicht mehr weitergekommen, sodass er 2010 das Angebot aus Hoffenheim angenommen hat. Seine Ablöse betrug vier Millionen Euro. Im Kraichgau wurde er zur Stammkraft. Im Mai 2014 feierte er gegen Polen sein Debüt in der Nationalmannschaft.

Serge Gnabry (21). Ihn hat es im Sommer 2011 vom VfB fortgezogen, für den er zuvor fünf Jahre lang gespielt hatte. Dann lockte der FC Arsenal, wo er zunächst im U-18-Team eingesetzt wurde. In der Premier League reichte es danach aber nur zu ein paar Kurzauftritten – eine unbefriedigende Situation. Im Sommer wurde er Torschützenkönig beim olympischen Fußballturnier in Rio. Er wechselte für fünf Millionen Euro nach Bremen – aber der FC Bayern hat nach Informationen dieser Zeitung im Sommer ein Vorkaufsrecht bei Gnabry.

Sami Khedira (29). Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass der VfB 2007 Meister geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt spielte er schon zwölf Jahre im Club, dem er sich im Alter von acht Jahren angeschlossen hatte. 2010 war er in Südafrika erstmals bei einer WM dabei, ehe er nach dem Turnier für 14 Millionen Euro bei Real Madrid anheuerte. 2014 wurde er Weltmeister in Brasilien, zwölf Monate später folgte der Transfer zu Juventus Turin, wo er im Mai sowohl intalienischer Meister als auch Pokalsieger wurde.

Mario Gomez (31). Mit knapp 16 Jahren wechselte er 2001 zum VfB, wo er später zunächst in der zweiten Mannschaft einen schweren Stand hatte. Die Wende gab es 2005 unter dem Trainer Giovanni Trapattoni, der auf Gomez baute. 2009 zog es ihn für 30 Millionen Euro zum FC Bayern, 2013 zum AC Florenz und 2015 zu Besiktas Istanbul, wo er Torschützenkönig wurde. Seit Sommer ist er in Wolfsburg.

Das Ziel von Marc Kienle

Diese sechs Spieler haben ihre Karriere beim VfB begonnen, aber sie sind weg – wie Antonio Rüdiger (AS Rom) und Timo Werner (RB Leipzig), die ebenfalls fester Bestandteil in den Plänen von Löw sind. Zum Teil waren die Verkäufe auch wirtschaftlichen Zwängen geschuldet. „Diesen Aspekt darf man nicht außer Acht lassen“, sagt KIenle, der jedoch das Ziel hat, dass Talente den VfB künftig zumindest nicht mehr schon in ganz jungen Jahren verlassen.

Vielmehr soll es laufen wie bei Timo Baumgartl, der auch aus der VfB-Nachwuchsgarde stammt, aber noch da ist und jetzt erstmals ins deutsche U-21-Team geholt wurde. Kienle sagt: „Wir hoffen, weitere Spieler nach oben zu bringen.“ Das trifft sich dann gut mit dem Ansatz von Dietrich.

P.S.: VfB-Wurzeln haben übrigens auch Löw und sein Assistenten Thomas Schneider und Marcus Sorg – die beide Erstgenannten sogar als Spieler und als Trainer.