Vor dem Hoffenheim-Spiel am Samstag sieht nicht nur Daniel Didavi die Gefahr, dass der VfB Stuttgart wieder in alte Verhaltensmuster verfällt.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Mönchengladbach - Es gibt Fußballer, die können ihren Frust einfach nicht verbergen. Schon auf dem Platz nicht. Irgendwie schwindet die Spannung aus ihren Körpern, und häufig beginnen sie schon nach kurzer Zeit, den Kopf zu schütteln. Weil sie falsch oder gar nicht angespielt werden. Weil sich immer mehr Flüchtigkeitsfehler und Fehlpässe in das Spiel schleichen. Weil sie plötzlich Laufwege bewältigen und Zweikämpfe bestreiten müssen, die sie so gar nicht mögen.

 

Daniel Didavi ist so ein Spieler. Er kann mit seinen Ideen und seiner Intuition das Stuttgarter Spiel tragen. Mit seiner Kreativität und Kraft kann er für den VfB auch den Unterschied ausmachen (und hat es in den vergangenen Wochen oft getan). Doch auf dem Rasen kann er nicht aus seiner Haut heraus. Denn selbst ohne Worte lässt der Mittelfeldspieler im Enttäuschungsfall alle um sich herum spüren: so nicht!

Beim 0:4 in Mönchengladbach hat sich Didavi jedoch nicht nur auf die nonverbale Kommunikation verlassen. Es war ihm schon ein inneres Anliegen, den Ernst der Lage beim Bundesligisten noch einmal nach außen zu tragen: „Das war von vorne bis hinten katastrophal!“ „Keiner von uns sollte von Höherem träumen!“ „Mit 28 Punkten ist man im Abstiegskampf noch lange nicht durch!“ Das waren die Sätze, die der 26-Jährige wiederholte – und sie verdeutlichen, was Daniel Didavi umtreibt.

Das Punktepolster könnte schnell wieder weg sein

Es ist die Angst vor der erneuten Abwärtsspirale. Die Furcht, dass die Stuttgarter wieder komplett in alte Verhaltensmuster verfallen und das schöne Punktepolster zu den unteren Tabellenrängen so schnell und unverhofft wieder weg ist, wie es sich der VfB erstürmt und erkämpft hat.

Auch Robin Dutt treibt diese Sorge vor der Begegnung am Samstag gegen 1899 Hoffenheim um. Auch der Manager war nach dem Debakel im Borussia-Park verärgert. Nur kann er das anders als Didavi hinter einem Lächeln verbergen. Die Botschaft des Sportchefs ist aber ebenso unmissverständlich: „Wenn jemand zuvor nicht in der Realität verankert war, dann ist er es jetzt wieder. Alles andere wäre seltsam.“

Acht Spiele ohne Niederlage sind in Stuttgart eben nicht ohne Auswirkungen geblieben. Sie haben zum einen das Vertrauen in die Mannschaft gestärkt. Zum anderen hat die Erfolgsserie aber auch dazu verführt, über das nächste Spiel hinauszudenken. Selbst Dutt, ein Mann ohne großen Hang zu Hochrechnungen, hatte gedanklich ein Drei-Spiele-Paket geschnürt und sechs Punkte zum Ziel ausgegeben. Hannover, Gladbach, Hoffenheim – und jetzt können es maximal noch drei Zähler werden.

Ganz unbeteiligt fühlt sich Dutt an der Unruhe, die er nun wieder managen muss, deshalb nicht. „Das mit der Vorgabe muss ich mir ankreiden. Wir fahren besser, wenn wir nur von Spiel zu Spiel denken“, sagt der Sportvorstand. Also zurück zum alten Credo, weil sich Dutt lieber der Phrasendrescherei bezichtigen lässt als falsche Signale auszusenden. Denn im Verein – und wahrscheinlich auch in der Mannschaft – hatte sich nach Monaten des kargen sportlichen Daseins ein Hochgefühl breit gemacht.

Die linke Seite wird gepalten

Nachvollziehbar ist das. Und es schien ja auch stabiler als in den Jahren zuvor. Doch letztlich ist es einmal mehr trügerisch gewesen. Gegen starke Gladbacher funktionierte nichts: kein Zweikampfverhalten, keine Raumaufteilung, keine Kompaktheit. Das Stuttgarter Spiel zerbröselte aber auch angesichts des gewieften Matchplanes von Borussen-Trainer André Schubert. Er ließ Thorgan Hazard und Fabian Johnson über die gleiche Seite angreifen – und spaltete so die zuletzt gute linke VfB-Flanke: hinten der überforderte Emiliano Insúa, vorne Filip Kostic allein auf weiter Flur.

Ohne Halt in der Mitte, weil Serey Dié und Christian Gentner schwächelten, fielen die Tore aufgrund der durchlässigen Defensive fast zwangsläufig: Thorgan Hazard (16.), Raffael (60.), Patrick Herrmann (68.) und ein Eigentor durch Kevin Großkreutz (90.+1). „Das Ende hat zum Spielverlauf gepasst“, sagt Jürgen Kramny, der jedoch hofft, dass seine Elf „alles Negative“ in diese eine Partie gesteckt hat. Allerdings weiß der Trainer auch, dass die Spielqualität der Schwaben schon während der vergangenen drei Auftritten nachgelassen hat.

Doch beim 1:1 auf Schalke wähnte man sich noch mit einem Europapokal-Anwärter auf Augenhöhe. Gegen den Tabellenletzten aus Hannover schien das 1:2 nur der schludrigen Chancenverwertung geschuldet. Gegen Gladbach wirkte das 0:4 aber auf all diejenigen desillusionierend, die gedacht hatten, es laufe trotzdem noch.

„Wir stecken nach wie vor mitten im Abstiegskampf. Das wissen wir auch“, sagt Kramny. Weshalb der Begegnung am Samstag nun wieder mehr Bedeutung zukommt, als zunächst erwartet. Denn es treffen zwei Teams mit gegenläufigen Trends aufeinander: Beim VfB geht es langsam abwärts, bei den Hoffenheimern langsam aufwärts.