Der VfB Stuttgart hinkt dem FC Schalke 04 nicht nur in der Tabelle der Fußball-Bundesliga weit hinterher, sondern auch in der Nachwuchsförderung. Am Sonntag treffen die beiden Clubs aufeinander.

Stuttgart - Jens Keller ist ein Mann, der sehr fundierte Kenntnisse über den VfB Stuttgart hat. Er hat hier in der Jugend gespielt, später auch bei den Profis; er war danach Trainer der U-17-Junioren und saß im Herbst 2010 kurzzeitig sogar als VfB-Chefcoach in der Bundesliga auf der Bank. Kurzum: es gibt wenig, was Keller bei seinem Heimatverein nicht schon erlebt hätte. Trotzdem kommt es noch vor, dass er sich wundert. „Ich bin sehr überrascht, dass beim VfB derzeit so ein großer Hype um junge Eigengewächse gemacht wird“, sagt der 43-jährige Fußballlehrer: „So viele sind es doch gar nicht, die bei den Profis spielen.“ Timo Werner fällt ihm natürlich ein, auch Rani Khedira – das war es dann aber auch. „Antonio Rüdiger spielt ja jetzt schon etwas länger in der Bundesliga mit.“

 

Beim FC Schalke 04, mit dem Jens Keller am Sonntag (17.30 Uhr) als inzwischen sehr erfolgreicher Trainer nach Stuttgart zurückkehrt, sei das anders: Dort wird nicht nur über die eigenen Talente gesprochen – ganz selbstverständlich spielen sie auch.

Acht waschechte Schalker in der Startformation

In dieser Saison standen zeitweise bis zu acht waschechte Schalker in der Startformation. Darunter sind nicht nur mittlerweile gestandene Profis wie Ralf Fährmann (25), Benedikt Höwedes (26), Joel Matip (22) und Julian Draxler (20), sondern auch ganz junge Emporkömmlinge wie Max Meyer (18) und Kaan Ayhan (19). Der Innenverteidiger Ayhan, schon im Alter von fünf Jahren zu S04 gekommen, ist das vorerst letzte Produkt des neuen Gelsenkirchener Jugendstils.

Vor knapp drei Jahren, so berichtet der Schalker Manager Horst Heldt, habe der Verein „die Grundsatzentscheidung“ getroffen, stärker auf die eigene Jugend zu setzen. „Jetzt ernten wir die Früchte.“ Neue Wege seien damals eingeschlagen, neue Trainer wie die Ex-Profis Christian Wörns, Frank Fahrenhorst und Tomasz Waldoch eingestellt worden. Die „Knappenschmiede“, so der neue Name der Nachwuchsabteilung, hat mit dafür gesorgt, dass Schalke nun kurz davor steht, sich für die Champions League zu qualifizieren. Es wäre die dritte Teilnahme hintereinander – Vereinsrekord. „Einen ganz wesentlichen Beitrag“ an diesem Aufschwung, sagt Jens Keller, hätten die jungen Spieler.

An königsblauem Nachschub soll es auch in Zukunft nicht fehlen. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, jedes Jahr mindestens zwei junge Spieler nach oben zu bringen“, sagt Heldt. Vor Kurzem sind sogar vier Talente mit Profiverträgen ausgestattet worden, darunter das europaweit umworbene Supertalent Donis Avdijaj.

„Der beste Jugendtrainer Europas“

Neben Timo Werner gilt der 17-Jährige als die ganz große Sturmhoffnung in Deutschland. Eine festgeschriebene Ablöse von knapp 50 Millionen Euro soll der bis 2019 gültige Vertrag von Avdijaj enthalten, der wie alle anderen Schalker Talente bei Norbert Elgert in der U 19 ausgebildet worden ist. Vom DFB wurde Elgert kürzlich zum Trainer des Jahres gekürt, für Heldt ist der 57-Jährige „der beste Jugendtrainer Europas, vielleicht der ganzen Welt“. Erst im Halbfinale scheiterte seine U 19 am Freitag in der Champions League für Nachwuchsmannschaften mit 0:1 am späteren Sieger FC Barcelona, der im Nachwuchsbereich weltweit als das Maß aller Dinge gilt.

Von solchen Erfolgen ist der VfB Stuttgart weit entfernt. Nicht nur in der Bundesliga, sondern auch bei der Nachwuchsförderung hinken die Stuttgarter dem FC Schalke inzwischen weit hinterher. Zwar gehört der VfB in der U 17 und der U 19 nach wie vor zu den führenden Teams in Deutschland – den Übergang zu den Profis aber haben, von einem Einzelfall wie Timo Werner abgesehen, in der jüngeren Vergangenheit viel zu wenige Spieler geschafft. „Seit der Generation Mario Gomez und Sami Khedira gab es ordentliche, aber keine richtig guten Jahrgänge mehr. Diese Jahrgänge müssen wir erst wieder produzieren“, sagt der Manager Fredi Bobic.

Der Weg des VfB, der derzeit ein neues Nachwuchsleistungszentrum baut, ist ähnlich wie der des FC Schalke. Auch in Stuttgart gibt es neue Strukturen, neue Leute – und das klare Bekenntnis, eine Profimannschaft aufbauen zu wollen, in der sich vornehmlich eigene Talente um gestandene Führungsspieler scharen. Allzu lange soll es nicht mehr dauern, bis die Arbeit auch in Stuttgart Früchte trägt. In den Juniorenmannschaften, so berichtet Bobic, seien endlich wieder „richtig gute Talente“.