Die bisherigen Stürmer des VfB Stuttgart haben zu oft am Tor vorbei geschossen, was bei Manager Robin Dutt Empörung auslöste. Neuzugang Robbie Kruse von Bayer Leverkusen hat daher gute Einsatzchancen.

Stuttgart – Noch mal kurz zur Erinnerung, auch wenn es weh tut: Unaufhaltsam sprintete Filip Kostic am linken Flügel seinem Gegenspieler davon und passte den Ball kurz vor der Grundlinie messerscharf vors Tor – genau dorthin, wo Martin Harnik in Position gelaufen war. Höchstens zwei Meter betrug sein Abstand zum Gehäuse, der Torwart war bereits geschlagen. Man mochte es kaum für möglich halten, doch von Harniks Fuß flog der Ball fast senkrecht in die Luft. Im Tornetz lag anschließend nur der VfB-Stürmer selbst und raufte sich die langen Haare.

 

Vieles wäre womöglich anders gekommen, wenn Martin Harnik diese Torchance gegen Eintracht Frankfurt nicht auf so groteske Weise vergeben, sondern den Ball einfach zur 2:1-Führung über die Linie geschoben hätte. Der VfB hätte gute Chancen gehabt, den ersten Saisonsieg zu feiern. Als gefeierter Torjäger hätte sich Harnik zur österreichischen Nationalmannschaft verabschieden können. Und der Manager Robin Dutt hätte sich nicht veranlasst gesehen, noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden und auf den letzten Drücker einen neuen Angreifer nach Stuttgart zu holen: den 26 Jahre alten Australier Robbie Kruse von Bayer Leverkusen.

Dutt kritisierte das Unvermögen der VfB-Stürmer

So aber sprach Dutt nach dem Frankfurt-Spiel, das nicht gewonnen, sondern mit 1:4 verloren wurde, mit sichtbarer Empörung über das Unvermögen der Stuttgarter Offensivkräfte. An 23 vergebene Chancen in der Auftaktpartie gegen Köln (1:3) erinnerte der Sportvorstand und sah daher auch nach der dritten Niederlage im dritten Spiel keinen Grund, am neuen, wilden Spielsystem zu zweifeln. Am System liege es sicher nicht, „wenn Bälle aus zwei Metern übers Tor genagelt werden“, sagte Dutt und wollte den versöhnlichen Einwand, dass sich doch das Spiel nach vorne trotz allem verbessert habe, nicht gelten lassen: „Vorne ist überhaupt nichts gut.“

Damit es in Zukunft besser wird, verpflichtete der VfB zwei Tage später Robbie Kruse – und korrigierte damit seine ursprünglichen Planungen. Die Mannschaft sei im Angriff gut aufgestellt, das sagte zu Beginn und während der Vorbereitung Dutt ebenso wie der neue Trainer Alexander Zorniger. Aus Tschechien war Jan Kliment (22) hinzugeholt worden, der Torschützenkönig der U-21-EM. Jerome Kiesewetter (22) aus der vereinseigenen U 23 erzielte in den Testspielen fleißig Tore. Und bei Timo Werner (19), der großen Stuttgarter Sturmhoffnung, bestand Anlass zur Hoffnung, dass er den Platzhirschen Daniel Ginczek (24) und Martin Harnik (28) mehr Konkurrenzdruck machen würde als in der vergangenen Saison. Ein Überangebot an Stürmern hatte der VfB und fand nach langer Suche Abnehmer für Mohammed Abdellaoue (29) und Vedad Ibisevic (31).

Nur Daniel Ginczek ist über jeden Zweifel erhaben

Mittlerweile jedoch ist als einziger Angreifer, der über jeden Zweifel erhaben ist, Daniel Ginczek übrig geblieben. Beim Spiel in Hamburg (2:3) erzielte er beide Tore, was auch vom Bundestrainer Joachim Löw („Er steht schon seit einiger Zeit unter unserer Beobachtung“) aufmerksam registriert wurde. Harnik hingegen, ein Mann, der immer alles gibt, sich selbst aber bisweilen im Wege steht, vergab schon zum Auftakt gegen Köln eine Reihe guter Torchancen und stellte mit seinem Aussetzer gegen Frankfurt die Geduld der sportlichen Leitung und des Anhangs auf eine neue und besonders harte Probe. Werner wiederum nährte bei seinen (Kurz-)Einsätzen die Zweifel, ob Stuttgart der richtige Ort ist, um zu einem Topstürmer zu reifen. Und Kiesewetter spielt wieder beim VfB II in der dritten Liga, wie zuletzt auch Kliment, der langsam aufgebaut werden soll. Beim Spiel in Erfurt (0:3) jedoch stand er am vergangenen Wochenende nicht einmal im Kader.

Im Testspiel gegen Heidenheim gibt Kruse seinen Einstand

Es dürfte also nicht lange dauern, bis Robbie Kruse zu seinem ersten Einsatz kommt. Am Dienstagnachmittag hat der Australier erstmals mit seiner neuen Mannschaft trainiert, zumindest mit jenem Teil, der sich nicht auf Länderspielreise befindet. Im Testspiel gegen Heidenheim wird er am Samstag (18 Uhr) in Crailsheim erstmals das VfB-Trikot tragen. Und viel spricht dafür, dass Kruse auch eine Woche später im Bundesligaspiel in Berlin gleich in der Startelf steht. „Er passt optimal in unser Spielsystem“, sagt Dutt.

Allerdings sollte besser niemand davon ausgehen, dass sich mit dem Neuzugang alle VfB-Probleme in Wohlgefallen auflösen. In bislang 51 Bundesligaspielen hat der Stürmer sechs Treffer erzielt. Mit anderen Worten: auch Robbie Kruse hat schon einmal am Tor vorbeigeschossen.