Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)
 

8. Taktikdebatten - Wir hören kurz mal bei Peter Neururer, Mister zweite Liga, rein: „Dieses ganze Gerede von taktischen Konzepten wird generell zu hoch gehängt, weil es der größte Blödsinn aller Zeiten ist. Es gibt keine Konzepttrainer.“

So war das im Unterhaus. Keine Konzepte. Nur Gras fressen, laufen, foulen, grätschen, kämpfen. Mehr Leichtathletik als Fußball. Die zweite Liga war spielerisch Kampf und Krampf. Geradlinig, ohne Schnörkel – halt Hausmannkost. Nun gibt es endlich wieder Fußball mit Niveau. Wieder Rinderfilet statt Rinderhack für uns Fußball-Feinschmecker.

Es darf wieder gefachsimpelt werden, mit Verve am Stammtisch über die Taktik diskutiert werden, über verlaufene Neuner, umkippende Dreier, horizontale Fünfer oder absaufende Elfer. Wie spielt der VfB? 3-5-2? 4-4-2? 5-5? Oder 08/15?

Wie heißt es so schön unweit des Stadions: Das Beste oder nichts!

Ein Jahr waren wir abgeschnitten von der Bundesliga-Außenwelt, gefangen im Kessel der Ahnungslosen, auf Augenhöhe mit der Provinz. Selbst Ingolstadt hat in dieser Zeit bundesweit mehr Aufmerksamkeit genossen als der VfB.

Damit ist nun wieder Schluss. Wir spielen wieder mit im Konzert der Großen. Dort, wo die Stadt und der Verein hingehören. Um es leicht abgewandelt mit Marius Müller-Westernhagens „Wieder hier“ zu sagen: Wir sind wieder hier, in unserem Revier, war’n nie wirklich weg, ham uns nur versteckt (in Liga zwei).

Die Hoffnung auf eine Sensation

2. FC Bayern - Haben wir den FC Bayern vermisst? Ja. Ehrlich. Wir freuen uns, dass es wieder zum Südklassiker kommt. Dass uns Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Welt erklären. Dass zweimal im Jahr die Hoffnung auf eine Sensation aufkeimt, es den Bayern zu zeigen (und die Sensation ausbleibt). Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und ein Sieg über die Bayern tilgt locker 20 Pleiten gegen Bayern.

Immerhin war der VfB diese Saison auf Augenhöhe mit München beziehungsweise hat sogar heruntergeschaut auf die Münchner, was der Seele des VfB-Fans grundsätzlich guttut, aber es waren halt nur die kleinen Bayern, die 60er.

Rein sportlich betrachtet, werden die Fahrten in die Allianz-Arena wieder unter der Zielsetzung Schadenbegrenzung laufen, aber sind wir doch mal ganz ehrlich: lieber beim FC Bayern glatt verlieren als bei 1860 einen Punkt erduseln.

Die weltoffenen Schwaben

3. Europa - Europa war ja, ganz allgemein gesprochen, schon mal populärer. Der Brite hat genug davon, und an vielen anderen Orten wird ebenso der Exit gesucht.

VauefBexit war gestern. Stuttgart sucht den Eingang – und hat ihn gefunden. Der VfB will wieder nach Europa. Und der Weg dorthin führt über die Bundesliga (den Pokal lassen wir mal außen vor). Gut, der Weg wird vielleicht etwas dauern, mittelfristig soll es ja die Champions League sein, und als Meister der zweiten Liga stellen wir uns da erst mal hinten an. Dennoch: Wir weltoffenen Schwaben sind überzeugte Europäer, der Puls of Europe schlägt in unseren Herzen.

Und dass der Brite europamüde ist? Nach jener Mutter aller Siege des VfB über Britanniens Stolz Manchester United in jener magischen europäischen Nacht 2003 sind sie halt beleidigt.

Wer kannte die Spieler in der zweiten Liga?

4. Alte Bekannte - Der VfB war ja bekanntlich kurz mal weg, seine Spieler aber nicht. Der VfB hat eindrucksvolle Fußspuren in der ersten Liga hinterlassen. Und in der neuen Saison dürfen wir dann endlich wieder die ganzen Exil-VfB-Kicker zu Hause in der Mercedes-Benz-Arena begrüßen: Mario Gomez, Daniel Didavi, Timo Werner, Sebastian Rudy, Filip Kostic, Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Bernd Leno und all die anderen.

Überhaupt: Es war eine Saison der Ahnungslosigkeit mit gegnerischen Spielern, deren Namen man zuvor noch nie gehört hatte. Wer konnte in der zweiten Liga schon mehr als drei Spieler von Greuther Fürth benennen oder wusste, wie Sandhausens Trainer heißt? Eben. Jetzt nimmt das Wissen über die Gegner für die meisten Fans wieder dramatisch zu. Robben, Neuer, Modeste, Reus, Forsberg – kennt man, sind gut. Wird schwer.

In der ersten Liga können endlich wieder alle mitschwätzen, nicht nur die „Kicker“-Sonderheft-Auswendiglerner.

Die Sache mit der Kehrwoche

5. Biorhythmus - Samstag, 15.30 Uhr. 39 Jahre war der Biorhythmus der VfB-Fans auf diese Uhrzeit geeicht. Bis dahin war der Einkauf gemacht, das Auto gewaschen und die Kehrwoche auch schon seit acht Stunden erledigt. So hatten wir schwäbischen Gewohnheitstiere uns eingestellt. Dann der Abstieg. Mal Freitagabend, mal Samstagmittag, mal Sonntagmittag, mal Montagabend, mal unter der Woche am Nachmittag: ein ewiges Wirrwarr, die biologische Uhr völlig aus dem Takt.

Das über Jahre bewährte samstägliche 15.30-Uhr-Nickerchen des Partners etwa fiel aus, weil der Fernseher nicht mehr lief. Schicksalsschläge. Jetzt wird alles wieder gut! Unser Wochenendleben bekommt wieder eine Struktur, zumindest eine etwas klarere als in der zerfaserten zweiten Liga.

Natürlich hatte das angesichts der eher mäßigen letzten Erstliga-Jahre auch gewisse Vorteile, so konnten Niederlagen des VfB am Samstagnachmittag das weitere Wochenende versauen, Sonntagnachmittag oder Montagabend war das Wochenende eh vorbei. Aber gut, man kann nicht alles haben – und überhaupt brechen ja jetzt auch wieder glorreiche Zeiten an, wie man so hört.

Damit unser Biorhythmus nicht völlig aus dem Ruder läuft, hat die DFL ja dankenswerter extra fünf Montagsspiele im Laufe der Saison eingeführt – der VfB als ungekrönter Montagsmeister stellt sein Stadion gerne zur Verfügung.

Gut für die Außendarstellung

6. Ablenkung - Mal ehrlich: Wenn es in den letzten Monaten außerhalb Stuttgarts mal um Stuttgart ging, dann ging es entweder um Feinstaub, um den Bahnhof oder um Staus.

Stuttgart hat die höchste Feinstaubbelastung, die schlimmsten Staus und den teuersten Bahnhof (und absurde Mietpreise, nebenbei gesagt, was aber bundesweit nicht so Schlagzeilen macht).

Jedenfalls hat die Stadt eine Außendarstellung, die ungefähr so positiv ist wie die von Donald Trump. Was wir also dringend brauchen, sind andere Schlagzeilen – und wer wäre da besser geeignet als der VfB in der Bundesliga, schließlich ist die Bundesliga wichtig, ach was, wichtiger, ne, noch mehr: das Allerwichtigste in diesem Land. Eben. Mit dem VfB geht es endlich wieder um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Löst zwar keine Probleme – aber lenkt wenigstens ab.

Stuttgart als Metropole

7. Stadien - Hurra, das ganze Dorf ist da. Bitte? Wirklich, Stuttgart wird von manchen als größtes Dorf des Landes bezeichnet.

Ist natürlich eine Frechheit, Stuttgart ist eine große urbane Stadt, ja sogar eine weltgewandte METROPOLE! In Liga zwei war dadurch das Problem folgendes: Das ganze Dorf, äh, die ganze Metropole, wollte die Auswärtsspiele sehen, aber die gegnerischen Stadien waren meist zu klein. In die meisten Stadien passten weniger als 30 000 rein, in manche sogar weniger als 20 000. Dennoch fuhren 5300 Fans im Schnitt zu den Partien. In der Bundesliga fassen die meisten Stadien 50 000 oder mehr Plätze, und mit Darmstadt (17 400) und Ingolstadt (15 000) verschwinden dazu die kleinsten dahin, wo sie hingehören. Hurra, die ganze Stadt ist da – das ist aber auch im Oberhaus nicht möglich. Stuttgart ist nämlich eine METROPOLE mit 600 000 Einwohnern!

Endlich wieder Fußball mit Niveau

8. Taktikdebatten - Wir hören kurz mal bei Peter Neururer, Mister zweite Liga, rein: „Dieses ganze Gerede von taktischen Konzepten wird generell zu hoch gehängt, weil es der größte Blödsinn aller Zeiten ist. Es gibt keine Konzepttrainer.“

So war das im Unterhaus. Keine Konzepte. Nur Gras fressen, laufen, foulen, grätschen, kämpfen. Mehr Leichtathletik als Fußball. Die zweite Liga war spielerisch Kampf und Krampf. Geradlinig, ohne Schnörkel – halt Hausmannkost. Nun gibt es endlich wieder Fußball mit Niveau. Wieder Rinderfilet statt Rinderhack für uns Fußball-Feinschmecker.

Es darf wieder gefachsimpelt werden, mit Verve am Stammtisch über die Taktik diskutiert werden, über verlaufene Neuner, umkippende Dreier, horizontale Fünfer oder absaufende Elfer. Wie spielt der VfB? 3-5-2? 4-4-2? 5-5? Oder 08/15?

Emotionen zeigen

9. Kommerz - Die Feindbilder in der zweiten Liga waren ja rar gesät (vom Karlsruher SC mal abgesehen). Viele dufte kleine Vereine, dazu ein paar sympathische Clubs mit klangvollen Namen und eine hohe Dichte an Vereinen aus dem Südwesten. Ach ja, wie nett waren die doch alle, in Aue, in St. Pauli, wie toll, fehlte nur noch, dass die Cannstatter Kurve die Vereinsnamen der Gegner getanzt hätte. Die wirklichen Emotionen weckt (noch mal vom KSC abgesehen) natürlich nur die erste Liga.

Mit den Schickimicki-Bayern und natürlich vor allem mit den Hopp-Hoffenheimern. Und den Dosen-Leipzigern. Oder den VW-Wolfsburgern. Und den Bayer-Lerverkusenern. Endlich können wir wieder herzhaft schimpfen auf die Retortenclubs, die den großen und ganz großartigen Traditionsvereinen die Plätze wegschnappen. Oder besser noch: der VfB schnappt sie sich auf dem Platz.

Um jeden Preis nach oben

10. Geld Lassen wir mal alle Emotionen beiseite, und thematisieren wir endlich das, was dem Schwaben noch mehr am Herzen liegt als Gefühle: Geld. Genug also von dem Geschwätz, jetzt mal ran an die Fakten: Gut elf Millionen Euro aus dem TV-Topf gab es 2016/2017 für den VfB, als Aufsteiger wird er zunächst 32 Millionen Euro bekommen – Tendenz steigend. Dazu kommt über Werbung, Merchandising und Tickets mehr Geld in die Kassen, von der geplanten Ausgliederung mal gar nicht zu sprechen. Money, Money, Money.

Nun ist der VfB ja nicht ganz der typische Schwabe und hat in der Vergangenheit auch schon mal den einen oder anderen Euro sinnlos ausgegeben. Aber lieber die Möglichkeit haben, viel Geld mies auszugeben, als gar kein Geld zu haben, oder? Diesmal wird auch alles besser. Der VfB und seine Macher wollen ja um jeden Preis oben bleiben.

Ende des Sabbat-Jahres

11. Es reicht! - Ganz ernsthaft: Es reicht! Das ist kein richtiger Grund, zugegeben. Aber es ist halt so. Die fürchterlichen Anstoßzeiten, das schaurige Niveau, die kleinen Stadien, die namenlosen Gegner. Es war spannend, es hat Spaß gemacht, aber hey, wir waren nur als Touristen da. Es war ein traumhaftes Sabbat-Jahr, aber wir sind nie gekommen, um zu bleiben.

Schön war’s, danke für alles.

Auf Nimmerwiedersehen.

PS: Falls es doch nicht klappt - Klar, das kann natürlich auch alles noch schiefgehen. Gut, das ist so wahrscheinlich wie eine absolute Mehrheit für die Grünen bei der Bundestagswahl im September, dennoch für alle Fälle: Wenn es mit dem Aufstieg doch nicht klappen sollte, ist das doch kein Grund, in Depressionen zu verfallen. Wir finden auch elf supertolle Gründe, warum es für den VfB und uns ganz großartig ist, noch ein Jahr in der zweiten Liga zu kicken. Zum Beispiel das Wiedersehen mit Kevin Großkreutz (Darmstadt).

Waren das schon elf? Nein. Oh, sorry. Mehr fällt uns grad nicht ein.