Cacau setzt sich stark unter Druck, will den Erfolg beim VfB erzwingen - und verursacht mit seinen Alleingängen Unmut bei den Mitspielern.

Stuttgart - In der 83. Minute kennt Arjen Robben keine Freunde mehr. Der Niederländer lässt keinen Zweifel daran, dass niemand anders als er selbst den fälligen Elfmeter schießen darf, obwohl er vorher schon einen verwandelt hat und sein Mitspieler Mario Gomez doch auch so gerne ein Törchen zum Sieg beisteuern würde. Robben blockt alle Überredungsversuche ab, trifft flach ins rechte Eck und lässt sich feiern als zweifacher Torschütze beim 4:1 des FC Bayern gegen Werder Bremen.

 

In der 83. Minute kennt am vergangenen Bundesligasamstag auch Cacau keine Freunde mehr. Am linken Strafraumeck führt der VfB-Angreifer den Ball und will so gerne das entscheidende Tor gegen den 1. FC Köln schießen, dass er seine Mannschaftskameraden Shinji Okazaki und Martin Harnik übersieht, die rechts von ihm viel besser postiert sind. Cacaus Schuss prallt ab, seine Mitspieler fuchteln aufgebracht mit den Armen, und statt des 3:1 fällt zu allem Überfluss kurz vor Schluss das 2:2. Cacau ist da schon nicht mehr auf dem Platz. Er ist nach seinem Fehlschuss ausgewechselt worden, begleitet von Pfiffen der eigenen Fans.

Im Heimspiel des VfB gegen die Bayern treffen Cacau und Robben am Sonntag im direkten Duell aufeinander - und so stellt sich wieder einmal die alte Frage: Wie egoistisch dürfen Stürmer sein, wie mannschaftsdienlich müssen sie sein? "Das ist ein sehr schmaler Grat", sagt Eddy Sözer, der Assistenztrainer des VfB Stuttgart, und mag Cacau keine großen Vorwürfe machen, zumindest nicht öffentlich. "Wenn er das Tor zum 3:1 gemacht hätte, wäre er hinterher gefeiert worden. Und andersherum möchte ich nicht wissen, was in München passiert wäre, hätte Robben den Elfmeter verschossen." Egoismus gehöre bei Stürmern dazu - "ein bisschen Torgeilheit", sagt Sözer, "erwarten wir von ihnen."

Immer wieder flammen Gespräche über Cacaus Egoismus auf

Im Falle von Cacau mehren sich nun jedoch (wieder einmal) die Stimmen, die dem deutschen Nationalspieler allzu großen Eigensinn vorwerfen. Ihm gehe es vornehmlich um den eigenen Erfolg und die eigene Torbilanz, sagen einige - auch innerhalb der Mannschaft. Was denkbar schlecht ist für jemanden, der das Team als Kapitän anführt. Martin Harnik und Christian Gentner hatten zuletzt ziemlich unzweideutig angemahnt, doch öfter einmal den Nebenmann anzuspielen und nicht nur an den eigenen Vorteil zu denken.

Und so wiederholt sich nun eine Debatte, die bereits beendet schien - jene über die angeblichen Egotrips von Cacau. Sie wurde schon geführt, als er noch Sturmpartner vor Mario Gomez war, und auch in der vergangenen Saison war sie wieder aufgeflammt. Nach der völlig missratenen Vorsaison ist Cacau dann in sich gegangen und hat fest versprochen, künftig anders auftreten zu wollen. Tatsächlich spielte er (trotz Verletzung) anschließend eine gute Rückrunde und hatte am Ende seinen Anteil daran, dass dem VfB der Abstieg in die zweite Liga erspart blieb.

Nun jedoch scheint die Situation verfahrener denn je. Cacaus Unzufriedenheit mit dem bisherigen Saisonverlauf ist trotz vier Saisontoren offensichtlich. Die Rolle als einzige Spitze in dem 4-2-3-1-System von Bruno Labbadia ist nicht seine Paradeposition, er war immer stärker, wenn er von weiter hinten kommen konnte.

Parallelen zwischen Cacau und Robben

Und der Druck auf ihn wird größer, denn die Leute pfeifen, die Mannschaftskollegen tuscheln und die Europameisterschaft, bei der er 2012 gerne dabei wäre, steht vor der Tür. All das hat dazu geführt, dass Cacau auf dem Platz wieder gestenreich mit sich selbst und mit den Mitspielern hadert und mit der Brechstange versucht, den Erfolg auf eigene Faust zu erzwingen.

Das wiederum hat zur Folge, dass der 30-Jährige, der sich seit Wochen nicht mehr öffentlich äußern will, innerhalb der Mannschaft weitgehend isoliert wirkt. Nach dem Training stapft er oft als Erster und alleine zurück in die Kabine. Er freut sich auch alleine, wenn er im Spiel ein Tor schießt - und er beteiligt sich eher selten am Jubel der restlichen Mannschaft, wenn ein anderer trifft. Auch das zeigt: in seinem Beruf ist Cacau, der privat so herzlich und zuvorkommend sein kann, ein Einzelgänger und manchmal auch ein Egozentriker.

Exakt das Gleiche sagen sie in München übrigens über Arjen Robben. Auch ihm werfen sie vor, zuallererst an sich selbst zu denken. Immerhin: sein zweites Elfmetertor gegen Werder Bremen bejubelte er gemeinsam mit den Kameraden. Allerdings musste er dazu erst aufgefordert werden. Denn zunächst war Robben ganz alleine Richtung Tribüne gerannt.