Der VfB Stuttgart musste im eigenen Stadion eine 1:4-Niederlage gegen den FC Augsburg einstecken. Sie verloren nicht nur das Spiel, sondern auch Hoffnungsträger Ibisevic durch einen Platzverweis. Was ist nur los bei den Stuttgartern?

Stuttgart - Mit langen Schritten ist Antonio Rüdiger kurz vor Schluss nach vorne geeilt. Eng führte der 20-jährige Innenverteidiger den Ball am Fuß, überquerte die Mittellinie und ließ alle Gegner stehen. Aus 20 Metern zog Rüdiger ab, schoss weit daneben – und erntete höhnischen Beifall von den eigenen Fans. So weit ist es beim VfB also gekommen.

 

Die Stuttgarter sind gestern Nachmittag an einem Tiefpunkt angelangt. Gegen den FC Augsburg unterlag die Mannschaft des Trainers Thomas Schneider im eigenen Stadion auch in dieser Höhe verdient mit 1:4 (0:2) und verlor zudem den Ersatzkapitän Vedad Ibisevic durch einen Platzverweis. Es war die fünfte Niederlage hintereinander. Mit großen Schritten nähert sich der VfB nach dem erneuten Offenbarungseid der zweiten Liga. „Es war ein sehr unglückliches Spiel mit vielen negativen Höhepunkten“, sagte der Manager Fredi Bobic: „Jetzt müssen wir zusammenstehen und in aller Ruhe weiterarbeiten.“

Zumindest in der Anfangsphase war dem VfB nicht der Wille abzusprechen, die ersehnte Trendwende einzuleiten. Schneiders Team, mit Alexandru Maxim anstelle von Martin Harnik angetreten, begann bemüht und war zunächst die engagiertere Mannschaft. Ibisevic stand im Weg, als Mohammed Abdellaoue aus acht Metern auf das Tor schoss (6.). Erneut Abedellaoue verfehlte nach einer Flanke von Gotoku Sakai mit einem Kopfball das Ziel (12.).

Zu wenig Selbstvertrauen beim VfB

Die Chancen änderten jedoch nichts daran, dass im Stuttgarter Spiel wie so oft das Überraschungsmoment fehlte. Gegen Teams wie den FC Bayern und Bayer Leverkusen, gegen die der VfB zuletzt trotz der Niederlagen überzeugt hatte, fällt das nicht ins Gewicht, da die Konzentration ganz der Defensive gilt. Gegen den FC Augsburg aber, der sich zunächst weit zurückzog und den Gegner kommen ließ, war es wieder einmal offensichtlich, wie schwer es dem VfB fällt, ein Spiel selbst zu gestalten. Dafür fehlt der Mannschaft die Qualität.

Noch etwas zeigte sich gestern eindrucksvoll: welche große Rolle im Fußball das Selbstvertrauen spielt. Mit spürbar breiter Brust trat Augsburg nach sieben Spielen ohne Niederlage in der mit 40 200 Zuschauern wieder nur mäßig gefüllten Mercedes-Benz-Arena auf. Von den Problemen in der Anfangsphase ließ sich das Team nicht beirren – und schlug bei erster Gelegenheit eiskalt zu: Der Angreifer Arkadiusz Milik, einst auch vom VfB umworbene Leihgabe aus Leverkusen, war zur Stelle, als Tobias Werner den Ball von links vor das Stuttgarter Tor passte (35.).

Der Treffer stürzte den ohnehin labilen VfB in totale Verunsicherung. Wie angeschlagene Boxer taumelten die Stuttgarter in den zehn Minuten bis zur Pause – und hatten Glück, dass der Gegner nur eine der sich fast zwangsläufig ergebenden Chancen verwertete: André Hahn traf mühelos zum 2:0, nachdem er alleine auf den VfB-Torhüter Sven Ullreich zugelaufen war (43.).

Platzverweis brach dem VfB endgültig das Genick

Mit vermeintlich guten Vorsätzen kam der VfB wieder aus der Kabine und wollte über Aggressivität ins Spiel zurückfinden. Rani Khedira holte sich mit einer Grätsche die Gelbe Karte ab, ehe Ibisevic weit über das Ziel hinaus schoss und nach einer Tätlichkeit gegen seinen Gegenspieler Jan-Ingwer Callsen-Bracker vom Platz flog (53.). „Er schlägt mir voll mit seiner Hand ins Gesicht. Das geht gar nicht“, sagte Callsen-Bracker. Fredi Bobic erklärte: „Das war absolut unnötig und passt zu unserer Situation.“

In Unterzahl stand der VfB vollends auf verlorenem Posten. Nur drei Minuten nach dem Platzverweis traf erneut Hahn mit seinem neunten Saisontreffer frei stehend zum 3:0 für Augsburg. Erneut war weit und breit kein Stuttgarter Abwehrspieler, der den schnellen Rechtsaußen der Gäste daran gehindert hätte. Dem VfB-Verteidiger Konstantin Rausch gelang dann zwar nach schönem Pass von Moritz Leitner der Anschlusstreffer (62.) – die Hoffnung auf eine Aufholjagd jedoch währte genau zwei Minuten. Praktisch im Gegenzug besorgte Werner den Endstand, nachdem er im Strafraum Antonio Rüdiger per Beinschuss verladen hatte. Nicht mehr als eine Randnotiz war es am Ende, dass der 20-jährige Mittelfeldspieler Robin Yalcin in der Schlussphase sein Bundesligadebüt gab.

In der Tabelle sind die Stuttgarter durch das Heimdebakel gegen Augsburg auf Platz 14 abgerutscht – nur zwei Zähler vom Relegationsrang 16 entfernt. Und so sagt Fredi Bobic vor dem Derby am Samstag in Hoffenheim das, was der Manager auch schon vor dem Spiel gegen Augsburg erklärt hatte: „Wir brauchen dringend Punkte.“