Der VfB Stuttgart will aus dem Pokalsieg gegen Braunschweig Kraft für das Bundesligaspiel am Samstag (18.30 Uhr) gegen Wolfsburg ziehen – und Mut für die Saison.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - So ein Pokalabend kann die Fantasie ungemein anregen. In Gedanken und in ihren Gesängen fuhren die VfB-Fans bereits nach Berlin, als sich die Stuttgarter Fußballprofis in die Cannstatter Kurve schleppten, um sich für die Unterstützung zu bedanken. 3:2 hatten sie gerade gegen Eintracht Braunschweig gewonnen, dafür 120 Minuten und viel Glück gebraucht. Doch auch der Interimstrainer Jürgen Kramny hat gleich geahnt, wie es kommen würde, wenn er nach dem Gruselkick aufwacht: „Ein Wahnsinnsgefühl.“

 

Für Siege gibt es im Sport keinen Ersatz, vor allem, wenn man wie der VfB immer wieder darauf warten muss. Und selbstverständlich ist der Finalort des DFB-Pokals ein Ort der Sehnsucht für alle Vereine und ihre Fans. Allerdings brauchte es an diesem Dezemberabend im Stuttgarter Stadion wesentlich weniger Vorstellungskraft, um ein anderes, sehr spezielles Gefühl hervorzurufen: das Montagabend-Feeling. Denn so wie die Begegnung zwischen dem VfB und der Eintracht ablief, sieht für einen Nochbundesligisten und seinen Anhang stereotypisch ein Zweitligaspiel im Alltag aus: ein zähes Ringen auf dem Rasen, 22 000 Besucher im Stadion und Regen.

„Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir auf unserer Tabellenposition im Viertelfinale stehen, wenn nur noch sechs von 18 Bundesligisten dabei sind“, sagt der Manager Robin Dutt. Ligaletzter ist der VfB vor dem Jahresabschluss am Samstag (18.30 Uhr) gegen den VfL Wolfsburg. Auf Tabellenrang 15 lagen die Stuttgarter, als sie im Januar in das Fußballjahr 2015 gestartet sind. Der Trainer hieß Huub Stevens, und Manager Dutt war frisch installiert, aber nichts scheint seither besser geworden zu sein. „Wir haben die VfB-typischen Sachen gesehen“, sagt Kramny.

Kramnys Fehlerprotokoll

Viele Fehler, zahlreiche vergebene Torchancen und eine ganze Reihe von kippeligen Momenten. Im Kopf hatte der Fußballlehrer aus Ludwigsburg die Mängelliste schnell erstellt. Das Fehlerprotokoll begann dabei in der ersten Minute und endete in der letzten Sekunde vor dem Abpfiff – gespickt mit den Gegentreffern durch Joseph Baffo (6.) und Orhan Ademi (110.) sowie dem elfmeterreifen, aber ungeahndeten Foul von Georg Niedermeier kurz darauf. Dazwischen gab es aber ebenso die Kopfballtore von Georg Niedermeier (21.), Timo Werner (99.) und Toni Sunjic (118.).

Dieses Auf und Ab gilt es nun kurzfristig auszugleichen, was Kramny bis Samstag in Angriff nimmt. Zum anderen müssen die Fehler aber auch grundsätzlich aufgearbeitet werden. Auch dafür steht Kramny zur Verfügung – sofern es der Verein will. Zeitnah nach der Wolfsburg-Partie soll die Entscheidung verkündet werden, und bis dahin schiebt Kramny das Thema beiseite und die Mannschaft in den Vordergrund.

Seit drei Spielen ist der VfB nun wettbewerbsübergreifend ungeschlagen. Er hat dabei nur drei Gegentore kassiert statt wie in den drei Pflichtspielen zuvor zwölf. Das sind mit den zwei Ligapunkten Argumente pro Kramny, plus der alten Pokal-Überzeugung, die sich schnell an der Mercedesstraße breitmachte: Hauptsache weiter, lautet diese und bringt den Stuttgartern in der Runde der letzten acht Teams etwa 1,3 Millionen Euro an Einnahmen.

Dutts These

Mindestens so wichtig wie die finanziellen Aspekte des Heimduells mit Borussia Dortmund sind jedoch auch die emotionalen. „Wir brauchen Erfolgserlebnisse, an die wir uns klammern können“, sagt Dutt. Wer weiß denn bei dieser Mannschaft schon, wie sie in ein paar Monaten dasteht? Da kann einem der DFB-Pokal gerne mal als Cup der guten Hoffnung dienen, weil er Selbstvertrauen gibt und womöglich neue Kräfte für das wichtige Spiel gegen Wolfsburg freisetzt. Darüber hinaus eröffnet er die sportliche Chance auf das Halbfinale ebenso wie die Möglichkeit, sich bundesweit zu präsentieren, wenn die Partie VfB – BVB im Fernsehen übertragen wird.

Doch das eine ist erst im Februar und das andere bereits morgen. Schwere Beine nach dem Pokalkampf werden bei den Stuttgartern befürchtet, weil sie schon gegen Braunschweig konditionell nachließen. „Ich bin mir aber sicher, dass der Kopf mit positiven Gefühlen besser umgehen kann als mit negativen und wir das körperlich wegstecken“, sagt Kramny. Um den VfB   gegen Wolfsburg beflügelt zu sehen, braucht es aber schon einiges an Fantasie.