Der VfB-Präsident Bernd Wahler hat der Mannschaft einen Besuch im Trainingslager im Zillertal abgestattet. Dabei machte er nochmals deutlich, dass er sich den Verein nicht kleinreden lassen möchte. Aber was ist Wunsch und was Wirklichkeit?

Sport: Carlos Ubina (cu)

Mayrhofen - Die Kampagne rollt. Meist geht es zwischen Mayrhofen und Hippach hin und her. Zweimal täglich zuletzt, fünf Kilometer, einfache Strecke. Und Jürgen Dispan lenkt sie mit. Jürgen Dispan ist der Busfahrer des VfB Stuttgart. Er kutschiert die Bundesliga-Fußballer im österreichischen Trainingslager vom Hotel zum Trainingsplatz und wieder zurück. Auf seinem Dienstfahrzeug prangt unübersehbar das neue Motto des Vereins für Bewegungsspiele Stuttgart 1893: furchtlos und treu.

 

So sollen sie sein – die Spieler, die Fans, die Clubangestellten. So will es der Vereinspräsident Bernd Wahler. Über diesen – wenn auch historisch belasteten – Leitspruch sollen sich die VfBler identifizieren. Wie der FC Bayern über sein „Mia san mia“.

Doch während die Münchner mittlerweile so riesig sind, dass sie sich ihr selbst verordnetes Selbstverständnis dezent an den Trikotkragen sticken lassen, müssen die Stuttgarter – zumindest was die Buchstabengröße angeht – klotzen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Partnerpflege und Eigenwerbung

Wahler weiß das. Er ist ja lange genug Marketingmanager gewesen. Nun ist er vor einem Jahr zum VfB-Präsidenten gewählt worden, hat sich monatelang den Verein von innen angeschaut – und jetzt will er endlich loslegen. Den Verein repräsentieren und positionieren wie die vergangenen zwei Tage im Zillertal, wo er mit dem Aufsichtsratchef Joachim Schmidt, dem Marketingdirektor Jochen Röttgermann sowie den Sponsorenvertretern Martin Schäfer (Würth, neuerdings Aufsichtsratmitglied) und Olaf Kramm (Fanuc) unterwegs war. Partnerpflege und Eigenwerbung.

„Um eine Marke aufzubauen, braucht es außer Zeit auch Klarheit und Kontinuität“, sagt Wahler. Er will alles aufbringen. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, um die Stuttgarter nach außen hin zu modernisieren und wieder vorwärtszubringen. „Wir müssen uns ständig fragen, wie wir unser Motto leben wollen.“ Dabei scheint der Präsident von der Sehnsucht getrieben, sich den VfB nicht kleinreden zu lassen. Weshalb er gerne mit den großen Namen der Vergangenheit kokettiert.

Champions League als Ziel

Klinsmann und Hitzfeld, Khedira und Gomez. Die einen sollen einem Expertenrat angehören, die anderen könnte sich Wahler irgendwann mal wieder im Trikot mit dem Brustring vorstellen. Und überhaupt: die Champions League müsse schon das Ziel sein, mittelfristig.

Verheißungsvolle Worte gelassen ausgesprochen. Vor einiger Zeit schon, jedoch mit einem zweifelhaften Gespür für das Timing. Oder doch nicht? Die eine Theorie besagt, dass der frühere Topmanager aus der Sportartikelbranche noch nicht ganz im Fußballgeschäft angekommen sei und die Wirkung seiner Aussagen in der Öffentlichkeit unterschätze. Doch es gibt auch Indizien dafür, dass der 56-jährige Weinstädter sehr wohl weiß, was er tut.

Wahler will ein gutes Gefühl vermitteln, den VfB positiv in die Schlagzeilen bringen, bundesweite Beachtung finden. Gelungen ist ihm das zuletzt mit dem gegenüber der Stuttgarter Zeitung bekundeten Interesse an Kevin Kuranyis Verpflichtung zur Winterpause. Auch einer der alten VfB-Heroen. Das Problem dabei: der Manager Fredi Bobic sah sich umgehend genötigt, das Interesse an dem 32-jährigen Stürmer von Dynamo Moskau im vier Autostunden entfernten Zillertal zu dementieren.

Mannschaftsabend im Adlerblick

Ziemlich missmutig hat Bobic das getan, was zumindest auf eine gestörte Kommunikation zwischen dem Präsidenten und seinem Sportvorstand schließen lässt. Umgehend telefoniert haben sie in der Angelegenheit, sich auch besprochen, und jetzt, da Wahler ebenfalls in Österreich weilt, ist alles wieder gut. Am Dienstag saßen Wahler und Bobic beim Mannschaftsabend im Alpengasthof Adlerblick gemeinsam am Tisch, demonstrierten bei imposanter Aussicht Harmonie. „Es gab nie eine Meinungsverschiedenheit“, sagt Wahler.

Dennoch verstärkt sich der Eindruck, dass der Clubchef in seinem Bemühen, den VfB zu stärken, zwischen Wunsch und Wirklichkeit pendelt. Wobei er sich für die Visionen zuständig fühlt – und Bobic für die Realität zuständig ist. Und die sieht nach wie vor so aus, dass alle auf der Suche sind: der neue Trainer sucht eine passende Formation, die Spieler suchen ihre Form, der Präsident sucht eine identitätsstiftende Idee, und der Manager sucht die Spieler, die dies verkörpern und umsetzen sollen.

Eine Findungsphase also, bei welcher der VfB schon schwer zu knabbern hat, wenn für eine mögliche Neuverpflichtung wie Filip Kostic (FC Groningen) eine Ablösesumme von sechs Millionen Euro aufgerufen wird. Die von Wahler mal angekündigten „Kracher“ für die anstehende Saison sind so jedenfalls kaum zu kriegen. In Zukunft nach Wahlers Vorstellung aber schon – sofern es mit der Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein klappt. Viele Millionen sollen dann fließen, auch in den Kader.

Das ist der Plan für das große Ganze beim VfB. Und Wahler verbindet damit auch eine bessere Außendarstellung des Vereins. Dazu holt er Oliver Schraft als Kommunikationschef zurück. Ein Mann ganz nach Wahlers Geschmack, ein VfBler durch und durch. Vor zwei Jahren war Schraft zum VfL Wolfsburg geflüchtet, weil er mit Wahlers Vorgänger Gerd Mäuser nicht auskam. Künftig soll der frühere Mediendirektor auch helfen, die neue Kampagne zu steuern. Am Donnerstag ist aber wieder Jürgen Dispan dran. Nach dem Frühstück fährt er die Mannschaft die knapp 400 Kilometer zurück nach Stuttgart. Bernd Wahlers Weg ist dagegen noch viel weiter.