Beim VfB wird jetzt abgewägt, was für und was gegen eine Zusammenarbeit mit Huub Stevens über diese Saison hinaus spricht. Zwar ist der Klassenverbleib noch nicht fix, doch scheint der VfB den richtigen Trumpf gezogen zu haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Als Martin Harnik am Samstagmittag mit dem ICE aus Hannover in Stuttgart ankommt, ist er um eine schmerzhafte Erfahrung reicher. Sollte er sich noch einmal die Schulter auskugeln, so wie beim 0:0 des VfB am Freitag in Hannover geschehen, wird der österreichische Nationalspieler sicher nicht noch einmal seinen Kapitän Christian Gentner darum bitten, die Sache wieder einzurenken. Nach dem gescheiterten Versuch des Kapitäns verbrachte Harnik die Nacht in einem Hannoveraner Krankenhaus, wo das Problem unter Narkose gelöst wurde. Harnik ist zuversichtlich, am Samstag im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg wieder fit zu sein. Für den VfB scheint es sich nicht nur in diesem Fall auszuzahlen, die Hilfe von Spezialisten in Anspruch zu nehmen.

 

Feuerwehrmann Stevens, bei uns brennt’s, übernehmen Sie! Dieser Notruf wurde Anfang März in Stuttgart abgesetzt und scheint am Ende zur Rettung zu führen. Huub Stevens ist im Abstiegskampf der ganz große VfB-Trumpf. Ist der Niederländer aber auch die richtige Lösung, wenn der Klassenverbleib geschafft ist und wieder neue Ziele ausgegeben werden? Auf diese Frage haben die VfB-Verantwortlichen noch keine abschließende Antwort gefunden. Es wird gerade abgewägt, was für und was gegen eine Weiterbeschäftigung von Huub Stevens spricht.

Die Partie in Hannover ist dabei die ideale Orientierungshilfe, denn die torlose Partie sagt sehr viel über den Trainer aus. Huub Stevens ist ein Meister der defensiven Organisation. Die Stuttgarter Hintermannschaft, die unter seinem Vorgänger Thomas Schneider reihenweise chaotische Auftritte hinlegte, ist binnen kurzer Zeit eine geordnete Einheit geworden. „Wir stehen kompakt und lassen nur noch wenige Chancen zu“, sagt Antonio Rüdiger, an dem die positive Entwicklung besonders deutlich wird. Stevens hat es geschafft, den jungen Innenverteidiger vom Sicherheitsrisiko zum Security-Chef umzuschulen. Was eine klare Ansprache und eine klare taktische Vorgabe alles bewirken können.

Vorwärtsgang als taktisches Leitmotiv

Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass der VfB mit dem Trainer Huub Stevens die Herzen der Zuschauer nicht im Sturm erobern wird. Einem begeisternden Offensivfußball fühlt sich der Erfinder der stehenden Null jedenfalls nicht verpflichtet. Der Verein allerdings schon. Der hat schließlich auf der letzten Klausurtagung den Vorwärtsgang als taktisches Leitmotiv ausgerufen – neben der bedingungslosen Förderung der eigenen Jugend. Ein weit gereister 60 Jahre alter Trainer scheint dazu nicht so recht zu passen.

In einem Grundsatzinterview mit der Stuttgarter Zeitung sagte der VfB-Präsident Bernd Wahler Ende des vergangenen Jahres zum Thema Abstiegsgefahr, die vor vier Monaten noch ganz weit weg war: „Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass wir dann alles daransetzen, das zu verhindern und kurzfristig vielleicht auch unseren Weg verlassen müssten. Aber nur, um danach wieder auf den Weg zurückzukehren, der der richtige ist.“ Aber was ist der richtige Weg? Der mit dem jungen Trainer aus den eigenen Reihen hat jedenfalls nicht zum Ziel geführt. Dazu kommt, dass es nur schwer zu vertreten wäre, einen Retter Stevens vor die Tür zu setzen. Und wenn es mit einem neuen Mann wieder nicht klappen sollte, ist die Erklärungsnot groß.

VfB ist nicht in der Position, sich einen Kandidaten zu wählen

Und es ist ja auch nicht mehr so, dass der VfB in der Position ist, sich einen Kandidaten frei wählen zu können. Ein interessanter Mann wie Roger Schmidt wechselt von Salzburg lieber nach Leverkusen. Schwer vorstellbar ist auch, dass es Thomas Tuchel nach Stuttgart zieht. Vom potenziellen Europa-League-Teilnehmer Mainz zum VfB – das wäre zurzeit ein Abstieg. Und Stevens durch einen Perspektivtrainer wie Uwe Rösler vom englischen Zweitligisten Wigan Athletic oder André Breitenreiter (SC Paderborn) zu ersetzen, stellt ein Risiko dar. Im Vergleich dazu scheint Huub Stevens die sicherere Bank zu sein.

Es hat sich ja auch schon einmal in der Stuttgarter Vergangenheit der Feuerwehrmann als passende Dauerlösung entpuppt. Felix Magath rettete 2001 den VfB vor dem Abstieg und führte eine stark verjüngte Stuttgarter Mannschaft zwei Jahre später in die Champions League.

Aber auch wenn sich der VfB für Stevens entscheidet, ist eine entscheidende Frage trotzdem noch nicht beantwortet: ob der Trainer überhaupt in Stuttgart bleiben will. Über die Zukunft möchte sich Stevens ebenso wie der Verein erst äußern, wenn der Klassenverbleib gesichert ist.