Der VfB-Anhang rätselt, warum der Verein nicht alles dafür tut, den früheren Mainzer Coach zu verpflichten.

Stuttgart - Der Sturm der Entrüstung lässt nicht lange auf sich warten. Kaum sind die Recherchen der Stuttgarter Zeitung über die vom VfB am Ende offenbar ignorierte Bereitschaft von Thomas Tuchel, neuer Trainer zu werden, auf der StZ-Homepage erschienen, setzen sich in den sozialen Netzwerken sehr lebhafte Debatten in Gang. Keine Frage: das Thema Tuchel wühlt die Stuttgarter Fanseele in ganz besonderem Maße auf.

 

„Hände weg von Tuchel“, so lauten einzelne Kommentare – der Tenor der (unrepräsentativen) Mehrheit aber ist ziemlich einhellig: Von einer „großen, einmaligen Chance“ ist die Rede und davon, dass es nicht sein könne und nicht sein dürfe, dass die Vereinsführung diese Gelegenheit verpasst: „Holt um Gottes Willen Thomas Tuchel“, er wäre „wie ein Sechser im Lotto“.

Auch Tuchel ist kein Wundertrainer

Diese Reaktionen liefern eine weitere Bestätigung für zwei Dinge, die nicht neu sind: Erstens ist bei weiten Teilen des VfB-Anhangs das Vertrauen in die Vereinschefs nach den vielen Jahren der Turbulenzen, der Führungskrisen und des dauernden Abstiegskampfes nachhaltig erschüttert. Zweitens scheint Tuchel für viele Fans die große Hoffnung auf den ersehnten Aufbruch in bessere Zeiten zu verkörpern.

Thomas Tuchel hat noch keine Meisterschaften gewonnen und noch keine großen Clubs trainiert. Es gibt daher keinen Grund, ihn zum Wundertrainer zu verklären, auch wenn er sich regelmäßig mit dem Bayern-Coach Pep Guardiola in München zum Mittagessen trifft. Mit dem FSV Mainz 05 aber hat Tuchel mit beschränkten finanziellen Möglichkeiten und jungen Spielern den größtmöglichen Erfolg gehabt.

Einer, der mittelmäßige Spieler besser machen kann

In den fünf Jahren, die er für den Club verantwortlich war, ist die Mainzer Mannschaft die fünftbeste in der Bundesliga gewesen – hinter den Bayern, Dortmund, Leverkusen und Schalke. Tuchel hat nachgewiesen, dass er mittelmäßige Spieler besser machen kann (beim VfB hat sich das in den vergangenen Jahren häufig eher umgekehrt verhalten). Trotz aller Differenzen bei der Trennung sagt der FSV-Manager Christian Heidel: „Ich traue ihm zu, jede deutsche Spitzenmannschaft zu trainieren, auch den FC Bayern München.“

Auch weil weder bei den Bayern, noch bei einem anderen Topteam der Liga ein neuer Trainer gesucht wird, kann sich Tuchel vorstellen, beim VfB einzusteigen. Manchen Fan in den Foren beschleicht daher die Sorge, der 41-Jährige könne Stuttgart nur als Übergangslösung betrachten, bis ein größerer Club ruft. Unklar ist, ob diese Sorge berechtigt ist. Doch hat Tuchel während seiner Zeit in Mainz zumindest stets betont, dass er sich den so genannten nächsten Schritt in seiner Karriere ganz genau überlegen und dann mit allen Konsequenzen angehen werde.

Irgendwann ist der Kontakt abgerissen

Vom VfB-Präsidenten Bernd Wahler ist bekannt, dass für ihn Tuchel einmal der große Wunschkandidat war. Ein junger, innovativer und erfolgreicher Coach, dazu noch mit VfB-Vergangenheit – Tuchel schien die Idealbesetzung für die Stuttgarter Trainerbank zu sein. Und so wird nun darüber gerätselt, warum in den Gesprächen keine Einigung möglich war, wenn es doch mehrere Treffen und ein beidseitiges Interesse gab. Lag es an zu üppigen Gehaltsforderungen des Trainers, der seinen Marktwert genau kennt? Oder daran, dass sich Tuchel, ein sehr komplizierter Verhandlungspartner, nicht eindeutig zum VfB bekannt und den Verein hingehalten hat?

Tatsache ist, dass es irgendwann keinen weiteren Kontakt mehr gab. Der VfB-Manager Robin Dutt, der angesichts des Abstiegskampfes unter Huub Stevens zu den Zukunftsplänen keine Stellung nimmt, scheint sich inzwischen mit Alexander Zorniger geeinigt zu haben. Über Thomas Tuchel heißt es, er wäre noch immer bereit, nach Stuttgart zu kommen. Sehr unwahrscheinlich ist es jedoch, dass es dazu noch kommt. Viel mehr spricht inzwischen dafür, dass er nach seiner einjährigen Auszeit zur neuen Saison beim Hamburger SV auf die Trainerbank zurückkehren wird.

Bei Facebook gibt es eine Gruppe „Tuchel zum VfB“

Viele Stuttgarter Fans würden das gerne verhindern. Bei Facebook hat sich die Gruppe „Tuchel zum VfB“ gegründet. Und Jürgen Schlensog, stadtbekannter Musikveranstalter und VfB-Freundeskreismitglied, schreibt auf der StZ-Homepage: „Ich kann Herrn Dutt nur eine Empfehlung geben: umgeben Sie sich mit den Guten. Holen Sie die Besten. Gehen Sie auch unbequeme Wege. Der Verein und Sie selbst können davon nur profitieren. Scheuen Sie nicht die Auseinandersetzung mit starken Charakteren. Zeigen Sie eigene Stärke, indem Sie starke Kräfte an Bord holen. Durchschnitt haben wir bereits genügend.“

Am Samstag nächster Woche tritt der VfB beim VfL Wolfsburg an, es ist ein weiteres ganz wichtiges Spiel im Kampf gegen den Abstieg. Auf der Trainerbank wird Huub Stevens sitzen, so viel ist sicher.