Auf der VfB-Mitgliederversammlung hat sich gezeigt: Nicht alle wollen den Kurs der Vereinsführung um den Präsidenten Gerd Mäuser mitgehen.

Stuttgart - Am Schluss seiner Rede verspürt Fredi Bobic den Drang, noch etwas loszuwerden, was nicht in seinem Manuskript steht. Zwanzig Minuten lang hat der Manager des VfB Stuttgart zuvor in der Mitgliederversammlung von den Entwicklungen in der Mannschaft und dem Verein berichtet, er hat ein paar Witzchen eingebaut und ist auch emotional geworden. Dann schaut Bobic von seinem Pult nach rechts, wo die Herren aus dem Vorstand und dem Aufsichtsrat sitzen, und nach vorne auf die Haupttribüne, wo die Vereinsmitglieder Platz genommen haben. „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Euphorie um den VfB gibt“, ruft der Manager, „die Mannschaft hätte das verdient, denn das ist eine richtig gute Truppe.“

 

In den Europapokal ist der VfB eingezogen, nachdem er noch im Vorjahr dem Abstieg nur knapp entronnen war. Von einem „eingeschworenen Haufen“ berichtet der aus dem Trainingslager in Donaueschingen zugeschaltete Kapitän Serdar Tasci und davon, dass dieses Jahr noch mehr als Platz sechs möglich sei. Und alle Verantwortlichen beteuern öffentlich, dass der eigene Nachwuchs wieder stärker zum Zug kommen solle. Kurzum: es gäbe den einen oder anderen Grund, zumindest ein klein wenig Aufbruchstimmung aufkommen zu lassen. Davon jedoch ist rund um den Bundesligisten eher wenig zu spüren – auch nicht auf der Mitgliederversammlung am Montagabend in der Mercedes-Benz-Arena.

Keine Turbulenzen auf der fünfstündigen Versammlung

Positiv betrachtet kann man sagen, dass die fünfstündige Veranstaltung einen harmonischen Verlauf genommen hat und Turbulenzen im Gegensatz zum Vorjahr ausgeblieben sind. „Wir haben eine Mitgliederversammlung erlebt, die geprägt war von einer respektvollen Atmosphäre und konstruktivem kritischem Dialog“ – so fällt das Fazit des Präsidenten Gerd Mäuser aus. Man könnte aber auch konstatieren, dass es der Vereinsführung um Mäuser und den Aufsichtsratschef Dieter Hundt weiterhin schwerfällt, die VfB-Familie von ihrem Weg zu überzeugen.

Mäuser verwendete viel Mühe darauf, die Fortschritte seines Zehnpunkteprogramms darzulegen. Das Spektrum reichte vom Becherpfand über das computergestützte Scoutingsystem bis hin zur neuen Unterbringung für die Greenkeeper. Von Benchmarking-Prozessen und Prioritätenlisten war die Rede – und bestimmt handelt es sich dabei um sinnvolle Maßnahmen. Allerdings: die Herzen der Fans erreicht ein Präsident damit nicht. Sie wollen nicht wissen, wo die Rasenmäher stehen, sondern wann ihr Verein wieder in der Champions League spielt. Und so gilt Mäuser bei vielen Fans als ein Clubchef, der – anders als Fredi Bobic – von der Basis weit entfernt ist.

Einige Anträge werden abgelehnt

Mit Misstrauen begegnen denn auch viele Mitglieder der Clubführung. Das drückte sich nicht nur in der knappen Mehrheit aus, mit welcher der Aufsichtsrat entlastet wurde. Das zeigte sich auch in der Ablehnung einiger Anträge auf Satzungsänderungen. Sinnvolle Begehren waren darunter, etwa der (Kosten sparende) Versand von Einladungen zu künftigen Treffen per E-Mail. Das jedoch fiel ebenso durch wie der Antrag, Beschlüsse auch außerhalb der Mitgliederversammlungen auf elektronischem Wege fassen zu können.

Als Zeichen einer besseren Kommunikation und einer größeren Demokratie wollte der VfB dies verstanden wissen und garnierte den Antrag mit dem Versprechen, auf diese Weise über das Vereinswappen abstimmen zu lassen. Bei vielen Mitgliedern jedoch überwog offenbar die Sorge, ihre Positionen nicht mehr auf dem direktem Wege der Mitgliederversammlung darlegen zu können. „Durch die Ablehnung der Mitglieder, eine Beschlussfassung wie etwa beim Thema Wappen auf elektronischem Wege durchführen zu können, müssen sich die Fans nun leider in dieser Frage etwas länger gedulden“, sagt Mäuser und will sich im September, nach seinem Urlaub, mit den Vertretern der Initiative Pro altes VfB-Wappen an einen Tisch setzen und „die weitere Vorgehensweise besprechen“.

Erich Retter wird gefeiert

Uneingeschränkten Zuspruch bekam Mäuser immerhin, als er die ehemaligen VfB-Profis Karlheinz Förster, Günter Sawitzki und Erich Retter zu Ehrenmitgliedern ernannte. Da applaudierten die Mitglieder im Stehen, während Retter (87), der Deutsche Meister von 1950 und 1952, Tränen der Rührung in den Augen hatte. Fredi Bobic dürfte dieser Moment sehr gefallen haben, denn er bewies wieder einmal: Fußball ist ein emotionales Geschäft.