Der VfL Wolfsburg präsentiert sich in Stuttgart so, wie sich das VfB-Trainer Armin Veh auch einmal von seiner Mannschaft wünschen würde: abgezockt und in der richtige Balance zwischen solider Abwehrarbeit und kreativem Offensivgeist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stutgart - Zu Beginn dieser Woche steht beim VfB ein ausgiebiges Videostudium auf dem Programm. Das hat der Trainer Armin Veh gleich nach der 0:4- Niederlage gegen den VfL Wolfsburg angekündigt. Für die Stuttgarter Spieler dürfte dabei vor allem die Erörterung der ersten Hälfte gleichermaßen aufschlussreich wie schmerzend sein. Da gab es nämlich jeweils zwei Szenen auf beiden Seiten, die praktisch identisch begannen, dann aber völlig unterschiedlich endeten.

 

Zunächst lief Martin Harnik allein aufs Wolfsburger Tor zu und scheiterte an Diego Benaglio. Auf der anderen Seite traf Ivan Perisic aus demselben spitzen Winkel zur Wolfsburger Führung (15. Minute). Die baute Robin Knoche per Kopf auf 2:0 aus (45.). Kurz zuvor hatte Sercan Sararer ebenso freistehend den Ball nur an den Pfosten geköpft. Das lief wirklich unglücklich für einen anfangs flott nach vorne spielenden VfB. Die Niederlage, die nach den weiteren Wolfsburger Toren von Kevin De Bruyne und Perisic am Ende mit 0:4 zu deutlich ausfiel, lässt sich aber sicher nicht allein mit Pech erklären. „Es war ein tolles Fußballspiel. Ein 8:5 für uns hätte den Spielverlauf besser wiedergegeben“, sagt der Wolfsburger Trainer Dieter Hecking.

Und Armin Veh sagt: „Heute hat man gesehen, was der Unterschied zwischen der Spitzenmannschaft Wolfsburg und uns ist.“ Veh sagt nicht, dass er seinen Kollegen beneidet, es ist aber aus seinen Worten herauszuhören. „Wir müssen endlich diese Fehler abstellen“, fordert er. Veh musste schließlich skurrile Patzer von Thorsten Kirschbaum, Oriol Romeu, Georg Niedermeier oder Moritz Leitner mit ansehen, die dann regelmäßig zur Gegentoren führten.

Die Wolfsburger sind abgezockter

Der VfL Wolfsburg spielte dagegen so, wie sich dass Armin Veh auch einmal von seiner Mannschaft wünschen würde: abgezockt und ohne echte Aussetzer. Während die Stuttgarter Hintermannschaft mal wieder von einer Verlegenheit in die nächste geschickt wurde (siehe dazu „Die Fehlerkette reißt nicht ab“), strahlte die Wolfsburger Defensive jederzeit das nötige Mindestmaß an Souveränität aus.

Dazu gesellte sich beim VfL ein gekonntes Umschaltspiel,um dann schnell und gefährlich vors gegnerische Tor zu kommen. So präsentierte sich in Stuttgart ein Team, das in der richtigen Balance ist. Diesen ausgeglichenen Zustand – bestehend aus solider Abwehrarbeit und zwingenden Angriffsaktionen – scheint der VfB einfach nicht hinzubekommen. Während zu Saisonbeginn die VfB-Defensive funktionierte und die Offensive nicht stattfand, ist nun der umgekehrte Fall eingetreten. Gegen eine Mannschaft wie Eintracht Frankfurt lässt sich dieses Problem noch mit einem 5:4-Sieg lösen, aber nicht gegen den VfL Wolfsburg. „Wir können nicht jede Woche eine Aufholjagd starten“, sagt Armin Veh.

Der erkennt noch weitere Stärken, die den VfL deutlich vom VfB abheben und nennt die Personalplanung im Vorfeld einer Saison. „Es wurden wenige Spieler mit viel Qualität dazu geholt“, sagt Veh, der darin offenbar einen großen Unterschied zum VfB erkannt hat. Veh hebt aber auch die „Ruhe und Geduld“ in Wolfsburg hervor, nachdem das Saisonziel zuletzt auch mal deutlich verfehlt wurde – wie mit Platz elf in der Saison 2012/2013. Diese Wolfsburger Geduld hätte sich Armin Veh vermutlich schon etwas früher gewünscht – im Januar 2010, als er selbst nach gerade einem halben Jahr als Wolfsburger Trainer entlassen worden war. Auch deshalb schaut Armin Veh vermutlich etwas genauer hin, was beim VfL passiert.

Für Jochen Schneider verbietet sich ein Vergleich

Daraus allerdings einen Erkenntnisgewinn für den VfB zu ziehen, hält Jochen Schneider für sehr schwierig. „Wenn man weiß , wie viel Geld VW gibt und was für ein Gehalt beim VfL Wolfsburg gezahlt wird, ist das Äpfel mit Birnen vergleichen“, sagt der Sportdirektor des VfB.

Da trifft es sich doch ganz gut, dass am nächsten Samstag wieder Äpfel mit Äpfeln verglichen werden. Dann nämlich tritt der VfB bei Werder Bremen an, einem ebenfalls dauerhaft krisengeschüttelten Traditionsverein, der den Anschluss nach oben auch verpasst zu haben scheint. Allerdings gehen die Bremer mit dem Selbstvertrauen des ersten Saisonsiegs unter dem neuen Trainer Viktor Skripnik in das 18.30-Uhr-Topspiel der Hinterbänkler. „Hoffentlich bleibt bei uns nichts von der Partie gegen Wolfsburg hängen“, sagt Armin Veh.