Der VfB Stuttgart in der Krise: im Falle des Abstiegs aus der Bundesliga wären bei dem momentanen Tabellenletzten finanzielle Einbußen und personelle Konsequenzen unvermeidlich.

Stuttgart - Es ist der 21. Mai 1977. Der VfB Stuttgart erreicht bei Eintracht Trier ein 0:0. Ein Punkt am letzten Spieltag genügt, um in die Bundesliga zurückzukehren, aus der die Mannschaft zwei Jahre zuvor abgestiegen war. Nach diesem Tag einst im Mai hat der Club einen weiten Bogen um die Zweitligastädte gemacht, die heute nicht mehr Trier, Baunatal oder Schwenningen heißen, sondern Aue, Aalen oder Sandhausen. Aber jetzt ist die Absturzgefahr so groß wie seit 1975 nicht mehr. Der Worst Case droht. Deshalb muss der VfB der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Zuge des Lizenzierungsverfahrens bis zum 1. April eine Kalkulation für diesen schlimmsten Fall vorlegen. Was sind die Inhalte und die Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche?

 

Die Fernsehgelder

In der laufenden Saison kassiert der VfB aus diesem Topf rund 28 Millionen Euro. Dazu kommen noch einmal gut drei Millionen aus der Auslandsvermarktung der DFL. Das ist eine deutliche Steigerung des Gesamtvolumens im Vergleich zu den Vorjahren – wobei die TV-Einnahmen ungefähr ein Drittel des Stuttgarter Gesamtumsatzes betragen. In der zweiten Liga wären die Einbußen auf diesem Sektor gewaltig, obwohl der VfB in der ersten Saison noch von einer Übergangsregelung profitieren würde, die der Ligaverband geschaffen hat, damit die Absteiger nicht ins Bodenlose stürzen. Allerdings ist diese Sonderklausel auf ein Jahr beschränkt. Vom zweiten Jahr an müssten weitere finanzielle Abstriche in Kauf genommen werden. Für die nächste Runde könnte der VfB vom Fernsehen mit rund zwölf Millionen Euro rechnen – eine Summe, die aktuell der 1. FC Nürnberg kassiert, der diese Tabelle in der zweiten Liga anführt. Im vergangenen Jahr in der Bundesliga waren noch 23 Millionen auf das Konto der Franken geflossen.

Die Sponsoren

Die allermeisten Verträge mit den Partnern aus der Wirtschaft enthalten die Klausel, dass sie auch bei einem Abstieg gültig sind. Das betrifft auch die Vereinbarung mit dem Hauptsponsor Mercedes-Benz-Bank, der sechs Millionen Euro pro Saison zahlt. Teilweise gibt es sogar Abmachungen, die im ersten Zweitligajahr keinerlei finanzielle Abschläge vorsehen, sondern in vollem Umfang weiterlaufen. Deshalb wären die Verluste auf diesem Geschäftsfeld, auf dem momentan ungefähr 30 Millionen Euro pro Saison erwirtschaftet werden (inklusive Merchandising und Hospitality), zunächst relativ leicht zu verschmerzen und überschaubar. Ein Fragezeichen würde jedoch hinter den Hospitality-Einnahmen stehen. Der VfB besitzt keine Erfahrungswerte, was ein Abstieg für die Auslastung der Vip-Logen und der Businessseats in der Arena bedeuten würde.

Die Zuschauer

In dieser Saison kamen bisher durchschnittlich 49 505 Fans zu den Spielen ins Stuttgarter Stadion. Damit wurden die Erwartungen sogar leicht übertroffen. In der zweiten Liga müsste jedoch ein Rückgang hingenommen werden – was der VfB schon vor einem Jahr in seiner Auflistung an die DFL notiert hat. Die Kalkulation ging von rund 35 000 Zuschauern aus, was der Ligaverband im April 2014 als realistische Größenordnung akzeptiert hat. Deshalb wird der Club auch jetzt wieder eine ähnliche Zahl präsentieren. Nicht ausgeschlossen erscheint allerdings, dass im VfB-Umfeld eine Aufbruchstimmung entsteht wie damals 1977, als die Leute zuhauf ins Stadion strömten.

Die Mannschaft

Wie der Club sportlich die zweite Liga angehen würde, ist klar. „Wir würden alles daran setzen, um die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, ein leistungsfähiges Team zusammenzustellen zu können“, sagt Stefan Heim, der beim VfB für den Entwurf der Lizenzierungsunterlagen zuständig ist und im Juli zum Finanzvorstand aufsteigt. Im Augenblick beträgt der Personalaufwand für die Profiabteilung 40 Millionen Euro. Dieser Etat müsste auf rund 25 Millionen Euro abgespeckt werden. Dabei laufen die meisten Spielerverträge in der zweiten Liga weiter.

Das Ziel wäre wie 1977 der Aufbau einer talentierten Mannschaft mit ein paar erfahrenen Kräften – damals Hermann Ohlicher und Dragan Holcer, heute Christian Gentner und Georg Niedermeier. Dazu würde unter dem Manager Robin Dutt ein junger Trainer wie Alexander Zorniger passen, der auch jetzt schon ein Thema wäre – wenn es mit Huub Stevens nicht mehr funktionieren sollte.

Das Stadion

Die Partnerschaft zwischen Verein und Stadt führte zur Gründung einer Stadiongesellschaft. Diese garantiert, dass der Betrieb zumindest für ein Jahr in der zweiten Liga in der jetzigen Form aufrechterhalten werden könnte – ohne Konsequenzen für den Steuerzahler. Rund zehn Millionen Euro überweist der VfB pro Jahr für die Refinanzierung der Umbaukosten. Rund 14 Millionen bringt dagegen die Eigenvermarktung der Arena – ein Konstrukt, das nun auch der SC Freiburg bei der Konzeption seiner neuen Arena eins zu eins übernehmen will. „Unser Modell wird von der DFL als vorbildlich gepriesen“, sagt Heim.

Die Belegschaft

Rund 120 Angestellte sind auf der Geschäftsstelle beschäftigt – in der Bundesliga. Und bei einem Abstieg? „Natürlich wäre es unser Bestreben, dass möglichst alle dabei bleiben und mithelfen, dass wir sofort wieder hochkommen“, sagt Heim. Betriebsbedingte Kündigungen sind trotzdem nicht auszuschließen, vor allem wenn der direkte Wiederaufstieg nicht gelingt. Eine andere Variante wäre, dass es zu Gehaltskürzungen kommt – vielleicht um zehn Prozent. Denn in der zweiten Liga wäre alles mindestens eine Nummer kleiner, beispielsweise was den organisatorischen Einsatz betrifft oder das mediale Interesse.

Die Vereinsführung

Der Präsident Bernd Wahler steht in diesem Jahr genauso wenig zur Wiederwahl wie der Aufsichtsratschef Joachim Schmidt. Allerdings könnte bei der nächsten Mitgliederversammlung des Clubs ein Antrag auf Abberufung des einen oder des anderen oder von beiden gestellt werden. Wobei diese Mitgliederversammlung jedoch kaum so schnell stattfinden dürfte. Denn erstens wurde kürzlich in die VfB-Satzung aufgenommen, dass dieses Treffen ab sofort mit einer Vorlaufzeit von mindestens vier Monaten angekündigt werden muss. Und zweitens spricht vieles dafür, dass die Versammlung bei einem Abstieg nicht wie üblich im Sommer über die Bühne gehen würde, sondern erst im Herbst – in der Hoffnung, dass sich die sportliche Situation bis dahin positiv entwickelt hat und die Brisanz aus der Veranstaltung raus ist.

Das ist die VfB-Strategie beim Abstieg. „Wir werden unsere Hausaufgaben machen, um der Verantwortung für den Verein gerecht zu werden“, sagt Heim. Die zweite Liga startet in diesem Jahr übrigens am 24. Juli – gut 38 Jahre nach dem 21. Mai 1977.